6768734-1968_45_03.jpg
Digital In Arbeit

Ein Vorschlag zur „kürzeren Dienstzeit“

Werbung
Werbung
Werbung

In das Kapitel „Die Armee verdorrt“ gehört auch das ständige Reden von einer Verkürzung der Dienstzeit auf sechs Monate. Es wird darauf hingewiesen, daß die Soldaten relativ rasch ausgebildet sind und dann vor Langeweile eigentlich nicht wissen was sie beim Militär tun sollen. Eine Dienstzeitverkürzung spare Geld und raube der Armee nichts an militärischem Wert. Das ist nicht ganz richtig.

Die österreichische Armee steckt alljährlich in einem Engpaß: wenn die ausgebildeten Soldaten abrüsten und die neuen Rekruten einrücken. In diesem Augenblick hat Österreich wohl Soldaten, aber praktisch keine schlagfertige Armee. Wenn die Dienstzeit verkürzt wird, dann werden diese Engpässe noch vermehrt. Aus Geldmangel kann sich Österreich auch nur sehr wenige Übungen der Reservisten leisten, denn Manöver verschlingen sehr Viele Kosten. Manöver würden außerdem die Wirtschaft belasten, denn außer dem Urlaub, der jedem Arbeitnehmer zusteht, ginge seine Arbeitskraft durch die Zeit, die er bei den Manövern verbringt, der Wirtschaft verloren. Die Schweiz kennt nur Urlaube von drei Wochen, in den seltensten Fällen vier Wochen. In Österreich beginnen die Arbeitnehmer mit drei Wochen, die sich zu vier und mehr Wochen steigern. Zu diesem Urlaub noch zwei bis drei Wochen Manöverdienst dazugeschlagen, ist wirklich eine fast unerträgliche Belastung der Wirtschaft. Nur durch kurze Übungen und eine Art stehendes Heer kann dieser Problematik etwas ausgewichen werden.

Aber Österreich ist ein Land der Kompromisse, und vielleicht würde sich auch hier ein Weg finden, der beiden Standpunkten gerecht würde. Das wäre allerdings nur möglich, wenn für einen Teil des Heeres, ungefähr ein Drittel, eine längere Dienstzeit als neun Monate eingeführt würde und für den größeren Teil, ungefähr zwei Drittel, eine kürzere Dienstzeit von sechs Monaten. Dann hätten jene größtenteils ihren Wunsch erfüllt, die eine .kürzere Dienstzeit eingeführt sehen möchten, aber auch jene, die die Engpässe der Armee kennen, würden beruhigter schlafen.

Eine Krise der österreichischen Armee wurde bei den Augustereignissen noch nicht sichtbar. Aber sie ist latent vorhanden: Es besteht nämlich keine völlige Klarheit, wem eigentlich die militärische Befehls- führübg zusteht,’’urfd zwar insbesondere in Krisenzeiten.

Der Generalissimus

Die Schweiz kennt in der Friedenszeit keine Generäle. Sie besitzt solche natürlich, aber diese haben nur Oberstenrang. So gibt es Oberstbrigadiere, Oberstdivisionäre, Oberstkorpskommandanten. Nur in Krisenzeiten wird ein General gewählt, im Ersten Weltkrieg war es General Witte im Zweiten General Guisan. Dem „General“ obliegt die gesamte militärische Befehlsführung. Nach Beendigung der Gefahr muß er in Pension gehen, behält aber seinen Rang.

In Österreich gibt es eine derartige Regelung nicht. Leider. Das kann sich in Krisenzeiten sehr tragisch auswirken. Denn die Gefahr liegt nahe, daß sich der Landesverteidigungsminister, ein Zivilist, für den Generalissimus der Armee hält oder aber die Generalität versucht, den Posten des Landesver- teidigungsmi-nisters durch einen aus ihren Reihen zu besetzen. Eine reinliche Scheidung der beiden Gewalten wäre deshalb unbedingt notwendig. Der Minister ist der Ressortchef und hat die Interessen der Armee innerhalb der Regierung gegenüber der Öffentlichkeit zu wahren. Der höchste General hätte die oberste Befehlsführung innezuhaben. Damit beide Stellen nicht gegeneinander arbeiten oder sonst- vÄ"s:5feei4äüf6ri’ wäre eine sehr genaue Regelung notwendig, welche ‘R&äite "dem Minister ufiäf; -&eldid Rechte dem höchsten General zustehen.

In der Schweiz kann schon in Krisenzeiten ein General gewählt werden. Meist wird dieser Zeitpunkt mit dem Ausbruch eines Krieges zusammenfallen, der sich an den Grenzen der Schweiz abspielt. Warum sollte für Krisen- oder gar Kriegszeiten für die österreichische Armee nicht eine ähnliche Regelung eingeführt werden? Ob dieser höchste General nur ernannt oder auch gewählt wird, ist eine zweite Frage. Welchen Titel er führt, ob Generaloberst, Feldmarschall oder etiwa Generalissimus, ist wirklich gleichgültig. Wichtig wäre nur, daß bekannt ist, in wessen Händen die militärische Befehlsfüihrung liegt.

Die Grundbedingung

Alle jene, die in den vergangenen Tagen das Bundesheer kritisierten, vergaßen aber dabei eines zu betonen: Daß sie selbst bereit wären, sich für die Verteidigung Österreichs zu schlagen. Und sie vergaßen eine Forderung aufzustellen: Die Regierung möge klipp und klar erklären, daß, wer immer die Grenzen Österreichs verletzt, und sei es nur, um einen Durchmarsch zu erzwingen, auf den energischen Widerstand des gesamten Österreich stoßen werde. Und zwar sowohl des militärischen wie des zivilen. Denn eine solche offizielle Erklärung der Bundesregierung gibt es bis heute noch nicht. Wohl sprach der Landeshauptmann der Steiermark, Krainer, von dem Willen Österreichs, sich zu verteidigen, und ebenso erklärte Landesverteidigungsminister Prader in einem Interview, daß auf jeden geschossen werde, der Österrech angreife. Diese Erklärungen sind zu begrüßen, aber sie ersetzen nicht eine offizielle Erklärung der Bundesregierung, die außerdem die Zustimmung des Parlaments findet. Die Schweiz hat immer und immer wieder erklärt, daß sie sich bis zum Letzten wehren würde, wenn sie angegriffen würde. Und eine ähnliche offizielle Erklärung gab auch vor kurzem der schwedische Kriegsminister über das nordische Königreich ab;

In Kürze wiM , Österreich den 50. Jahrestag seines Bestandes als Republik feiern. Wäre dieser Tag nicht geradezu prädestiniert, daß an ihm die Bundesregierung vor dem Parlament erklärt, Österreich wisse, daß es immerwährend neutral sei und daß es bereit sei, diese Neutralität bis aufs äußerste zu verteidigen. Und gleichzeitig müßte an das österreichische Volk der Appell gerichtet werden, der Armee alle jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie benötigt, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung