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Ein Slogan ist kaputt

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Verteidigungsminister Lütgendorf ist wieder ins Sperrfeuer der öffentlichen Kritik geraten. Doch anders als seine gestandenen Politikerkollegen fühlt sich der General-Minister in der Rolle als Zielscheibe nicht unwohl. Er bedient sich dabei einer nicht alltäglichen Mischung aus unpolitischer Naivität, garniert mit Ehrlichkeit. Dabei spielt Lütgendorf sicher mit dem Gedanken, daß der einfache Staatsbürger den Mut respektiert, in einer Gefälligkeitsdemokratie auch einmal Unpopuläres zu“ fordern.

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Verteidigungsminister Lütgendorf ist wieder ins Sperrfeuer der öffentlichen Kritik geraten. Doch anders als seine gestandenen Politikerkollegen fühlt sich der General-Minister in der Rolle als Zielscheibe nicht unwohl. Er bedient sich dabei einer nicht alltäglichen Mischung aus unpolitischer Naivität, garniert mit Ehrlichkeit. Dabei spielt Lütgendorf sicher mit dem Gedanken, daß der einfache Staatsbürger den Mut respektiert, in einer Gefälligkeitsdemokratie auch einmal Unpopuläres zu“ fordern.

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Worum geht's? Dem Bundesheer fehlen einige Zehntausend Reservisten mit Ausbildung zum Kommandanten auf der untersten Ebene. Also die Gruppen- und Zugskommandanten, um es militärisch zu sagen. Die genaue Zahl verschweigt der Minister. Dieses Manko (das muß fairerweise gesagt werden) besteht nicht erst seit der Ministerschaft Karl F. Lütgendorfs. Reserveoffiziere, Unteroffiziere und Chargen hat das Heer in seiner zwanzigjährigen Geschichte immer zuwenig gehabt. Auch unter ÖVP-Verteidigungsministern. Die Zahl schwankte je nach Konjunkturlage und politischem Klima. Der Tiefpunkt ist zweifellos jedoch unter der sozialistischen Alleinregierung erreicht worden. In der von den Freiheitlichen gestützten sozialistischen Wehrreform des Jahres 1971 wurden nämlich zwei Prinzipien verankert, die nun zum Bumerang werden:

• Prinzip eins: mehr Wehrgerechtigkeit. Das heißt, alle Wehrpflichtigen sollen annähernd gleich lang dienen. Das ist aber mit den militärischen Notwendigkeiten nicht vereinbar; ein Offizier braucht eine längere Ausbildung als ein Unteroffizier, und dieser wieder muß länger geschult werden als eine Charge, also ein Zugsführer oder Korporal. Das alte Scherzwort: „Bist du General oder gar Korporal“ stimmt wahrlich nicht.

1970 zogen aber die Sozialisten mit dem Schlagwort in die Wahlen: „Sechs Monate sind genug!“ Die Dienstzeit wurde nach dem Wahlerfolg, zu dem nach Ansicht der Meinungsforscher diese Wahlversprechung nicht unwesentlich beigetragen hat, von damals nun auf nunmehr sechs Monate gesenkt. Korrekt gesagt: von neun Monaten plus Wiederholungsübungen auf sechs Monate, ebenfalls plus Wiederholungsübungen. Und die neue Dienstzeit wurde nun klar nach oben begrenzt. Acht Monate für alle.

• Prinzip zwei: Für die Ausbildung zum Kommandanten in der Reserve sollten nur Freiwillige herangezogen werden.

Die Fachleute warnten vor dem Prinzip der Freiwilligkeit Sie kann-

ten offenbar besser als die Politiker die Realität. Die Politiker, also SPÖ und FPÖ, wischten den Einwand (er kam auch von der ÖVP) vom Tisch. Als Grundlage ihres Optimismus legten sie Zahlen vor. Eine Untersuchung sollte erbracht haben, daß sich genügend Freiwillige melden würden. Beide ,Parteien stehen nun vor dem Scherbenhaufen dieser Naivität. Und Lütgendorf muß zu dem greifen, was bereits 1971 notwendig gewesen wäre: zum Zwang. Sein neues Wehrgesetz, das er nun gegen den Widerstand aller drei Parteien ins Parlament bringen will, sieht die Zwangsverpflichtung von Reservisten vor. Das heißt, daß der militärische Vorgesetzte entscheiden kann, wer von den Reservisten für eine Kommandofunktion in der Reserve geeignet ist und daher mehr Waffenübungen machen muß als seine Kameraden.

Daß SPÖ und FPÖ das ablehnen, ist noch verständlich. Lütgendorfs Plan trifft den Kern ihrer Reform. Er macht damit den Slogan kaputt, daß sechs Monate genug seien. Viele Bürger werden nun mehr dienen müssen als vor der sozialistischen Reform. Und das muß politisch erst verkraftet werden.

Überraschend ist nur die Haltung der ÖVP. Sie ist 1971 aus dieser Reform ausgesprungen. Der Grund: sie mißtraute dem Prinzip der Freiwilligkeit. Nach vier Jahren Opposition rang sich die ÖVP aber vor den letzten Wahlen neuerlich Unpopuläres ab. Sie verlangte den Zwang bei Waffenübungen. Inzwischen hat sie das aber leider vergessen und schwimmt auch auf der Welle der Gefälligkeit...

Verweigern die Parteien dem Verteidigungsminister' aber dieses Gesetz, ist in wenigen Jahren die Verteidigungsbereitschaft auf den Stand der ständig einsatzbereiten'1 Berufssoldaten und Längerdienenden, also der sogenannten Bereitschaftstruppe, abgesunken. Das sind knapp zwanzigtausend Mann. Spätestens dann wäre es aber wirklich besser, die Heeresmilliarden in den Neubau von Schulen oder Spitälern zu stecken. Oder vielleicht auch noch ein paar Betonbunker für den Zivilschutz zu

bauen. Alles andere wäre Soidaten-spielerei.

Hoffentlich macht sich auch unter den Politikern die Einsicht breit, daß man mit der Landesverteidigung auf gar keine Weise Parteipolitik machen kann und soll. Denn Popularitäts-hascherei auf diesem Gebiet kann dem ganzen Volk auf den Kopf fallen.

Die internationalen Konzerne wurden zum internationalen Problem. Zu einem wirtschaftlichen, politischen, sozialen, juristischen Problem, dessen künftige Ausmaße erst erahnt werden können. Man ist ihm lange aus dem Weg gegangen. Aber heiße Eisen dieser Art werden nur von Jahr zu Jahr heißer. Mit dem Verhaltenskodex für internationale Konzerne, über den die OECD jetzt verhandelt, ist es auf Dauer sicher nicht getan. Nicht einmal mit dem geplanten Übereinkommen über in allen Partnerländern anzuwendende Regeln für ausländische Direktinvestitionen. Hingegen wäre es eine europäische Katastrophe, würde sich die US-Regierung mit ihrer Auffassung durchsetzen, die Überwachung internationaler Konzerne sei einzig Sache des Landes, in dem sie ihren Hauptsitz haben. Sie erweist sich damit einzig als braver Interessenwahrer der amerikanischen Konzerne.

Angesichts der Dynamik, mit der die unter außerordentlichem Erfolgszwang stehenden Konzernmanagements vorgehen, können auch international abgestimmte, aber in den einzelnen Ländern isoliert angewendete Offenlegungspflichten (zumindest im politisch durchsetzbaren Ausmaß) kaum genügen. Der gewaltige strategische Vorteil der internationalen Konzerne beruht darauf, daß sie in keinem einzelnen Land, nicht einmal in ihrer „Heimat“, faßbar sind. Wird ihrem Machtzuwachs noch lange untätig zugesehen, könnten die europäischen Staaten einen guten Teil ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit und wirtschaftspolitischen Souveränität nicht an eine europäische Körperschaft, sondern an die Konzernmanagements verlieren.

Die ungemütliche, aber kaum zu umgehende Alternative: ein Instrumentarium zur konzertierten Überwachung der Tätigkeit multinationaler Konzerne in den europäischen Ländern auf übernationaler, europäischer Basis. Die Gewerkschaften haben dieses Problem bereits entdeckt — die Wirtschaftspolitik kann daran nicht vorbeigehen. Langfristig gibt es wenig Wichtigeres. Die Zeit drängt, und die Herausforderung ist gewaltig. Politisch, organisatorisch, aber auch juristisch. Wie immer, wenn grundsätzlich neue Phänomene zu bändigen sind.

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