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Wiederaufgenommene Bundesheerverhandlungen stocken bereits

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Dennoch sprechen die Militärs und jene Kreise, die in der Landesverteidigung mehr als einen innenpolitischen Spielball und ein Atout im Ringen um die Wählergunst sehen, von einer völlig neuen Situation: Sie zeichnen düstere Perspektiven.

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Dennoch sprechen die Militärs und jene Kreise, die in der Landesverteidigung mehr als einen innenpolitischen Spielball und ein Atout im Ringen um die Wählergunst sehen, von einer völlig neuen Situation: Sie zeichnen düstere Perspektiven.

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Keine Wünsche?

Im stillen hatten nämlich jene Kreise, die retten wollten, was beim Bundesheer noch zu retten wäre, doch mit einer gewissen Unterstützung des Minister-Offiziers gehofft. Doch das Brigadierherz scheint völlig er kaltet zu sein, seit Lütgendorf Minister ist.

Der gleiche Mann, der dem An- drosch-Budget für 1971 noch bescheinigt hatte, es sei ausbildungsfeindlich, der gleiche Mann, der sich dazu auch noch im Parlament ausdrücklich bekannte, als er schon Minister war, hat im Zusammenhang mit der Wehrgesetznovelle keine Wünsche mehr. Lütgendorf, der bisher den Fachmann hervorkehrte, der seine Distanz zur SPÖ mehrfach betont hat („Ich wäre auch in einer ÖVP- Regierung gern Verteidigungsmini ster geworden”), scheint nicht willens, einen Finger zu rühren, damit aus der sozialistischen WehrgeSetz- noveile doch noch eine Gesetzesvorlage wird, die das offenkundige Todesurteil für das Heer in ein die Mindesterfordemisse sicherndes Gesetz umwandelt. Feststeht, daß sich der 57jährige Minister offenbar von seinem zweiten Ich, dem Brigadier Karl Lütgendorf völlig abgewandt haben dürfte.

Schwarzer Peter

Nicht nur Generäle lassen die Köpfe angesichts der Vorstellung hängen, es könnte die Wehrgesetznovelle, so wie sie jetzt im Parlament liegt, tatsächlich Gesetz werden. Denn die Fachleute sind sich darüber einig: Das ist das Ende eines Heeres, das schon jetzt seine Aufgaben nicht erfüllen kann.

Feststeht eines: Dr. Kreisky ist heute nicht mehr bereit, zu konzidieren,

was er am Ende der gescheiterten Parteienverhandlungen noch zugestehen wollte. Sechs Monate Präsenzdienst und 40 Tage Waffenübung, keine gesetzliche Sicherung für die Bereitschaftstruppe — das ist der harte Kern der Wehrgesetznovelle der Regierung.

Das sicherlich publikumswirksame Papier trägt den Minimalbedürfnissen des Heeres natürlich nicht Rechnung. Doch was kümmert das eine Mdnderheitsregierung, die auf den nächsten Wahlkampf und auf einen neuen Wahlsieg hinarbeitet?

So gesehen, ist das Hoffen auf Lütgendorf verständlich, das Anklammern besorgter Experten an diesen „Strohhalm” begreiflich.

Die Enttäuschung über Lütgendorf scheint gerade in Offizierskreisen daher zu wachsen. Immerhin trat Lütgendorf schon 1933 in das Artillerieregiment Kaiser-Ebersdorf ein, besuchte die traditionsreiche Militärakademie in Wiener Neustadt, machte den ganzen zweiten Weltkrieg mit und machte beim Bundesheer Karriere.

Kein Zweifel, Lütgendorf ist Fachmann, er weiß, was das Heer braucht; aber er zuckt jetzt mit keiner Wimper, daß dem Bundesheer ein Begräbnis dritter Klasse zuteil werden soll.

Daher sind die Meinungen geteilt, wie die Bundesheerreform weitergehen soll: Feststeht, daß man die unpopulären Maßnahmen der Opposition überlassen möchte.

Wenig kompromißbereit sind jedenfalls die Sozialisten, bei denen letzte Woche die Bundesheergegner Biecha und Schieder das große Wort führten. Auch das wird als Symptom registriert.

Darf ein Minister spekulieren?

Wie ist das Schweigen Lütgendorfs, sein Einverständnis mit der Wehrgesetznovelle, zu verstehen?

Spekuliert der Minister auf das Verantwortungsbewußtsein der Opposition?

Ist ihm wirklich alles gleichgültig, wenn er bleiben kann, was er ist: Minister?

Die Preisfrage ist die Haltung der Freiheitlichen. Abg. Zelllinger gibt sich undurchsichtig. Er spricht von der Möglichkeit wechselnder Mehrheiten bei den einzelnen Bestimmungen der Wehrgesetznovelle. Daraus schließen namhafte Kreise, daß die Freiheitlichen eher zu den Sozialisten neigen dürften, wenn die harte Gretchenfrage gestellt werden wird. So scheint der schwarze Peter unerbittlich bei der Volkspartei zu bleiben.

Wird sie ihn aufnehmen, einer Haltung istaatspolitischer Verantwortung entsprechend? Wird sie, wie es Withalm einmal sagte, ohne Rücksicht auf die Optik, vertreten), was sie im Interesse der Landesverteidigung zu vertreten glauben muß?

Kann es sich die Volkspaultei angesichts einer permanenten Neuwahldrohung leisten, den Sozialisten wieder ein zugkräftiges Wahlkampf - argument zu liefern?

Es ist eher nicht anzunehmen, daß die Volkspartei die Weichen noch vor dem Wechsel an der Parteispitze stellt.

Die Meinung der verschiedenen Par- teigruppierungen ist nämlich keineswegs einheitlich.

Indessen rücken die nächsten Termine des Lanidesverteddigunigsaus- schusses näher. Weiterverhandelt wird im Parlament am 27. Mai und am 3. Juni. So verworren die Situation auch scheinen mag: Über eines herrscht seltsame Einmütigkeit: So oder so wird die Bundesheerfrage nun in relativ kurzer Zeit entschieden sein.

Wie immer diese Entscheidung auch ausfallen mag: Für das Bundesheer ist nichts Gutes zu erwarten.

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