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Wehrkonzept ohne Konzept

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Läßt sich die Äußerung General Spannocchis, mit der Schaffung des Armeekommandos beginne die Stunde Null in der Heeresorganisation, auf die Gesamtsituation des Bundesheeres anwenden? Dies bestätigt zu erhalten, war vermutlich das Motiv der Volkspartei, als sie eine dringliche Anfrage zum Thema Verteidigungspolitik der Regierung stellte.

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Läßt sich die Äußerung General Spannocchis, mit der Schaffung des Armeekommandos beginne die Stunde Null in der Heeresorganisation, auf die Gesamtsituation des Bundesheeres anwenden? Dies bestätigt zu erhalten, war vermutlich das Motiv der Volkspartei, als sie eine dringliche Anfrage zum Thema Verteidigungspolitik der Regierung stellte.

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Nichts konnte die Inaktivität der Regierung in der Causa Landesverteidigung besser illustrieren, als der Umstand, daß der Landesverteidigungsrat zum letztenmal am 11. Jänner dieses Jahres getagt hatte.

Was sonst in der fast fünfstündigen Debatte vorgebracht wurde, war, wie üblich, das Kleinholz der Hinter-bänkler. So lange leider das Thema Landesverteidigung vom Fußvolk der Parteien gestaltet wird, ist sicher nicht damit zu rechnen, daß diese staatspolitisch entscheidende Frage den ihr zustehenden Platz erhält. Daß dies geschieht, weiß der Verteidigungsminister zu verhindern.

Seine Rolle vor dem Hohen Haus war wieder einmal derart bühnenreif, daß Ernst bei der Debatte nicht mehr aufkommen konnte. Die Opposition trägt allerdings auch ein gerüttelt Maß Schuld an diesem Umstand. An ihr läge es, einen passenderen Ton des Ministers, den Volksvertretern gegenüber, zu erzwingen.

So war es wieder einmal nicht möglich, weder für die Abgeordneten noch für die Journalisten, und damit für die Öffentlichkeit, sich ein Bild über den wahren Zustand des Bundesheeres zu verschaffen.

Man ist derzeit bei der Beantwortung der Frage, wie sich das Bundesheer in der Ära Kreisky entwickelt hat, auf eigene Wahrnehmungen angewiesen. Der mehrfach beim Verteidigungsminister urgierte Bericht über die Lage des Heeres unterblieb auch diesmal. Genügte noch vor wenigen Jahren ein Telephonanruf am Franz-Josefs-Kai, um sich über Personalzahlen ausführlich zu informieren, werden diese nun als Geheimnis höchster militärischer Wichtigkeit gehütet.

Was man aber von einem Soldaten an der Spitze des Verteidigungsministeriums am vordringlichsten erwartet hätte, ist bislang nicht einmal in

Ansätzen erkennbar: die innere Reform. Was in der benachbarten Bundeswehr bereits ein stehender Begriff geworden ist, nämlich die Kodifizierung und Sammlung der Erkenntnisse moderner Menschenführung, der sogenannten „Inneren Führung“, ist in Österreich nach wie vor Übungsplatz für pädagogische Dilettanten. Versucht man zwar nicht mehr offen den Lehrmeister der Nation zu spielen, glauben viele Offiziere und Unteroffiziere dennoch, in sechs Monaten aus einem Zivilisten einen „Menschen“ machen zu müssen. Daß das Leitbild soldatischer Prägung zu den Gegebenheiten der modernen Gesellschaft in eine zunehmende Diskrepanz gerät, wollen jene Militärs nicht wahrhaben. Der Soldat, nach dem sich einst die Nation ausrichtete, läuft heute hinter der gesellschaftspolitischen Entwicklung einher. Dies hätte der Soldat Lütgendorf erkennen und zedtgerecht Reformen setzen müssen. Wer dies aber vom einstigen Ausbildungschef des Bundesheeres erwartet hatte, war offenbar bisher der Frage aus dem Weg gegangen, warum die Kritik am sogenannten Leerlauf im Bundesheer aufgekommen ist. Unter seiner Patronanz ist jene unzeitgemäße, praxisfremde Ausbildungsform und Methodik entstanden, die im Schlagwort „Leerlauf“ kulminiert.

Kann sich Kreisky Lütgendorf wirklich noch leisten, ohne Gefahr zu laufen, als der Vollstrecker des Heeresruins zu gelten?

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