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Hoffilling als Prinzip

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Das entscheidende Prinzip der österreichischen militärischen Landesverteidigung ist das der Hoffnung: Hoffnung, daß es mehr Geld dafür geben wird; Hoffnung, daß endlich einmal die großzügige und großräumige, von den Militärs entwickelte Planung verwirklicht wird; Hoffnung, daß der Zustand des sogenannten „relativen Friedens“ erhalten und unserem Land jede militärische Bedrohung erspart bleibt.

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Das entscheidende Prinzip der österreichischen militärischen Landesverteidigung ist das der Hoffnung: Hoffnung, daß es mehr Geld dafür geben wird; Hoffnung, daß endlich einmal die großzügige und großräumige, von den Militärs entwickelte Planung verwirklicht wird; Hoffnung, daß der Zustand des sogenannten „relativen Friedens“ erhalten und unserem Land jede militärische Bedrohung erspart bleibt.

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Neun Jahre sind seit jenern Wahlkampf vergangen, in dem die Wehrpolitik die Landschaft der wahlpolitischen Auseinandersetzung entscheidend geprägt hatte: „Sechs Monate sind genug“ - das war jener Slogan, der griffig war und nicht unentscheidend die Motivation mancher Wähler beeinflußte, die am 1. März 1970 zur Urne schritten. Neun Jahre später hat sich die Szenerie gewandelt.

Das Bundesheer, besser gesagt wehrpolitische Fragen, sollen im Wahlkampf ausgeklammert werden, weil - das sei offen gesagt - mit der Wehrpolitik kein Wahlkampf einigermaßen entscheidend beeinflußt werden kann. Das ist zumindest die Meinung der politischen Parteien, im besonderen der beiden Oppositionsparteien; und der Regierungspartei kann es recht sein: sie betreibt seit einiger Zeit eine gekonnte Marketingstrategie beim Verkauf eines neuen Konzeptes, das als optimale Lösung für die Zukunft und als Patentrezept für die militärische Landesverteidigung der kommenden Jahrzehnte gepriesen wird.

Daß man aber dennoch nicht an der Realität vorbeisehen kann, ist wahrscheinlich nur wenigen, die als Insider anzusehen sind, bewußt. Mehr denn je wird nämlich die Wehrpolitik der kommenden Jahre die Versprechungen der Vergangenheit erfüllen müssen und durch Taten das beweisen müssen, was nun als Verheißung im Raum steht.

Es ist nicht zu bestreiten, daß eine Reform des Systems unserer militärischen Landesverteidigung am Beginn der siebziger Jahre durchaus erforderlich war. Daß sie nunmehr -fast schon am Beginn der achtziger Jahre - verwirklicht werden soll, charakterisiert allein bereits Erfolg und Mißerfolg der vergangenen Jahre.

Objektiverweise wird man festhalten müssen, daß manches, was getan wurde, durchaus sinnvoll war. Die vielgerühmte „Kommissionitis“ des derzeitigen Bundeskanzlers hatte sogar auch ihre guten Seiten.

Die Überlegungen der 1970 eingesetzten Bundesheerreform-Kommis-sion waren grundsätzlicher Natur und seriös. Sie sind von der Politik in

„Die vielgerühmte Kommissionitis t.. hatte sogar auch ihre guten Seiten“ den folgenden Jahren jedoch nur unvollständig verwirklicht worden. Im Rückblick auf eine Periode neunjähriger sozialistischer Wehrpolitik kristallisieren sich auch deutlich die grundlegenden Versäumnisse heraus:

• Die Umstellung der früheren einheitlichen Präsenzdienstzeit auf ein System der geteilten Dienstzeit (Grundwehrdienst und Übungen) bedeutete den Ubergang zu einem teureren System. Trotzdem hat die Politik die dafür erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung gestellt. An Stelle einer Budgetexpansion gab es eine Budgetstagnation, und zwar auch in jenen Jahren, als das konjunkturelle Hoch es dem Finanzminister erlaubte, kräftig zu verteilen (der Anteil des Heeresbudgets am Gesamtbudget pendelte zwischen 1970 und 1979 konstant zwischen 3,7 und 3,9 Prozent).

• Wesentliche Planungsziele konnten dadurch nicht erfüllt werden: die Bereitschaftstruppe, zu deren „unverzüglicher“ Aufstellung sich die Regierung schon 1971 verpflichtete, ist in der angestrebten Größenordnung (15.000 Mann) nur mit ergänzender Mobilmachung einsatzbereit - gerade die Notwendigkeit einer Mobilmachung wollte man jedoch

„Acht Jahre nach Einleitung einer groß angekündigten Heeresreform wurde abermals ein neues Konzept verkündet“ mit der Idee dieser „Druckknopfbrigaden“ ausschalten.

• Permanente Ein-, Aus- und Um-gliederungen im Bundesheer haben zusätzliche Mittel und wertvolle Zeit gekostet.

• Das neue System der Truppenübungen konnte von den Ausbildungszielen und der Ausbüdungs-kapazität her gesehen nur unvollkommen verwirklicht werden. Die Praxis dieser Übungen zeigte, daß die Wehrpflichtigen im Rahmen dieser Übungen weniger statt mehr motiviert wurden.

Acht Jahre nach Einleitung einer groß angekündigten Heeresreform wurde nunmehr abermals ein neues Konzept verkündet. Raumverteidigung und Landwehr sind die Verheißung für die Zukunft.

In Zahlen ausgedrückt: 1986 soll ein Heer von 186.000 Mann für die militärische Verteidigung zur Verfügung stehen, Anfang der neunziger Jahre sollen es sogar 300.000 Mann sein. Manchen mag das letztgenannte Ziel schon als Megalomanie erscheinen.

In der Tat sind viele Fragen offen, Fragen auf die die dafür verantwortliche Politik bis heute keine Antwort gegeben hat: Können wir solche Ziele finanziell bewältigen? Könnten wir diese Größenordnungen personell erreichen? Wird der Bewußtseinswandel in der öffentlichen Meinung dieses militärische Konzept mit dem erforderlichen Verständnis und der Bereitschaft der Gesamtbevölkerung ausstatten?

Bisherige Erfahrungen und aktuelle Diskussionen geben zur Skepsis Anlaß. Der Verteidigungsminister selbst erklärte, daß ohne überproportionale Steigerung des Verteidigungsbudgets die geplanten Ziele nicht erreichbar sind - im Budget 1979 ist die Steigerung für die Ausgaben des Bundesheeres eindeutig „unterproportional“.

Es scheint aber auch fraglich, ob wir nach 1986 - mit dem Einrücken der geburtenschwachen Jahrgänge -jährlich 10.000 bis 15.000 Mann dem Feldheer zuführen können, um das Endziel der 300.000 Mann zu erreichen. Ohne Erreichung dieses Zieles ist jedoch- darüber sind sich die militärischen Fachleute einig - der Gedanke der Raumverteidigung glaubhaft nicht zu verwirklichen.

Angesichts dieser Tatsache ergibt sich die berechtigte Frage, inwieweit die österreichische Wehrpolitik „realistisch“ ist. Realismus bedeutet nämlich, daß Planung und Verwirklichung in einem untrennbaren Zusammenhang gesehen werden. Es wäre geradezu fatal, wenn die Politik das neuverkündete Konzept abermals verhungern läßt. Bis jetzt war die Vitaminzufuhr bescheiden.

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