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Eine Chance den Volksgruppen

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In Brixen fand jüngst eine internationale Konferenz statt, die das vor einem Jahr in Regensburg gegründete „Internationale Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus“ (INTEREG) einberufen hatte. Das Institut hat seit seiner Gründung intensive Arbeit geleistet und bereits zwei Bände eines auf drei Bände angelegten Werkes „Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht im 20. Jahrhundert“ herausgebracht.

Es scheint, daß das Institut, das unter Leitung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Josef Stingl, steht und das eine sehr starke, auch finanzielle Stütze an der Bayerischen Staatskanzlei hat, zu dem Mittelpunkt aller Bemühungen für einen völkerrechtlichen Schutz von Volksgruppen und Sprachminderheiten werden wird. An der Tagung in Brixen nahmen rund 100 Experten für Nationalitätenrecht und Regionalismusfragen aus 14 Staaten (vorwiegend Europas) teil, darunter 32 Universitätsprofessoren.

Das wohl Wichtigste war aber die Vorlage von zwei internationalen Texten zum Schutz von Volksgruppen und Sprachminderheiten. Der eine Text ist der Entwurf einer UNO-Konvention zum Schutz von ethnischen Gruppen und nationalen Minderheiten, der andere ein solcher betreffend ein europäisches Durchführungsprotokoll hiezu.

Beide Entwürfe, die nun in Endfassung vorgelegt wurden, nachdem ein volles Jahr daran gearbeitet worden war, gehen in die Richtung der Verankerung des Minderheitenschutzes in internationalen Konventionen, von welchen die europäische auf die Besonderheiten der im Europarat vertretenen Staaten abgestellt ist.

Übrigens ist, vor allem bei den Vereinten Nationen, seit etwa zwei Jahren ein ungeheurer Aufbruch in Richtung des Schutzes ethnischer Minderheiten festzustellen.

Bei all diesen Entwürfen geht es aber um mehr als formelle Gleichberechtigung. Es geht auch um mehr als nur den Erhaltungsschutz, wie ihn das - bisher freilich noch nicht wirklich durchgeführte - österreichische Volksgruppengesetz von 1976 vorsieht. Es geht vor allem auch um den Entfaltungsschutz in dem Sinne, daß die Volksgruppen ein auch völkerrechtlich gesichertes Recht auf Weiterentwicklung und Entfaltung als ausgegliederte gesellschaftliche Gemeinschaften haben sollen.

Dabei ist entscheidend der Anspruch auf Volksschulen wie auch, bei Vorliegen einer entsprechenden Zahl von Schülern, auf höhere Schulen mit der Volksgruppensprache als Unterrichtssprache, auf angemessene Beteiligung an Rundfunk und Fernsehen mit minderheitseigenen Kräften, ethnischen Beamtenproporz, staatliche Förderung der Minderheitenpresse, Schutz vor Unterwanderung durch das Mehrheitsvolk, Erhaltung und Pflege des angestammten Landschaftsbildes des Heimatbodens der Minderheit (mit Schutz auch vor Errichtung von Atomkraftwerken im Minderheitsgebiet) sowie auf Wehrdienst nur in diesem Gebiet.

Die Tagung des INTEREG in Brixen war nicht zuletzt auch eine Tagung über Fragen des Regionalismus. Es war hiebei erstaunlich, in welchem Ausmaß in Europa der Regionalismus zu einem Anliegen großer Organisationen, vor allem von Bundesländern und anderen Gliedstaaten geworden ist.

Eine Reihe von Fachleuten erhielt und übernahm den Auftrag, womöglich noch bis zu den EG-Wahlen ins Europaparlament eine Regionalismus-Charta (allenfalls Konvention) für Europa auszuarbeiten. Entwürfe hiefür lagen in Brixen übrigens schon zum Teil vor.

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