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Zauberwort Regionalismus

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Die Besinnung auf die Kulturwerte der Völker und Volksgruppen, aber auch derSprachminderheiten in Westeuropa nimmt ständig zu. Das zeigen die vielfachen Aktivitäten neuer Organisationen, die sich mit Föderalismus und Regionalismus beschäftigen.

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Die Besinnung auf die Kulturwerte der Völker und Volksgruppen, aber auch derSprachminderheiten in Westeuropa nimmt ständig zu. Das zeigen die vielfachen Aktivitäten neuer Organisationen, die sich mit Föderalismus und Regionalismus beschäftigen.

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Hier seien einige Beispiele für diese internationale Entwicklung angeführt:

• CEDRE (Centre Europeen du developpement regional), Straßburg: Diese am Sitz des Europarates Anfang 1985 gegründete Organisation unter Leitung des Präsidenten der Region Elsaß, Marcel Rudioff, wurde in einer Vorbereitungssitzung vom 13. Juni 1983 in Straßburg ins Auge gefaßt, um den offensichtlich im Wachsen begriffenen Regionalismus in Europa organisatorisch in den Griff zu bekommen. Dabei trat 1985 der frühere französische Ministerpräsident Edgar Faure, zusammen mit dem Ministerpräsidenten der Region Wallonien, De-housse, an die Spitze. (Daß Edgar Faure früher französischer Nationalist war, wird heute verschwiegen.)

CEDRE darf nicht verwechselt werden mit der vor zwei Jahren in Basel gegründeten Organisation C.E.D.R.E. (Centre Europeen pour la Defense des Refugies et emi-gres), die sich mit Flüchtlingsfragen, auch mit den Problemen der Kärntner Slowenen befaßt, dies allerdings in einer höchst einseitigen linksextremistischen Form.

• Conseil des Regions d'Europe: Dieser „Rat der Regionen Europas“ wurde im Juni 1985 in Lou-vain-la-Neuve in Belgien von sehr maßgebenden Vertretern von Gliedstaaten europäischer Bundesstaaten und bereits juristisch anerkannten Regionen (zum Beispiel Madeira und Azoren in Spanien, die Regionen in Belgien usw.) gegründet (Leitung Gerard Baloup) und verfügt noch nicht über ein Statut. Es soll aber bald ein solches bekommen.

Der Rat hängt mit der „Standing Conference on Local and Regional Authorities“ (Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen) des Europarates (Leitung: Rinaldo Locatelli aus dem Tessin) zusammen und plant einen „Senat des Regions“ zu schaffen, in welchem alle größeren Regionen und die Länder westeuropäischer Bundesstaaten zusammengeschlossen werden sollen, um die Regionen mit (vor allem kulturellem) Leben zu erfüllen.

Vorgesehen ist, daß alle 21 Mitgliedstaaten des Europarates entsprechende Beiträge leisten (ein Ecu pro 1000 Einwohner, zusammen also etwa 400.000 Ecu). Der „Conseil des Regions d'Europe“ will die nur sehr lockere und bisher nicht gerade wirkungsvolle BLORE (Bureau de Liaison des Organisations Regionales Eu-ropeennes = Verbindungsstelle der regionalen Organisationen Europas) ersetzen.

# Foundation for International Understanding (Fonden for International Forstaelse), Kopenhagen: Sie organisiert unter Leitung des Bürgermeisters von Kopenhagen, Egon Weidekamp (früher Prof. Northcote C. Parkinson), des Bürgermeisters von Frederiksberg und Vorsitzenden der Kulturkommission des Europarates und vor allem des Geschäftsführers Folmer Wisti seit nunmehr acht Jahren die Konferenz „Europe of Regions“.

Sie findet meist in Kopenhagen statt, heuer die achte Anfang September 1985, wobei auch der Europarat mitwirkt und Fragen sowohl des Regionalismus wie auch des Föderalismus — was keineswegs dasselbe ist — durch Fachleute behandelt werden. Die dabei gehaltenen Referate werden alljährlich auch publiziert.

1985 standen der Regionalismus in Spanien, in Skandinavien (Fä-röer, Grönland, Island, Finnland, Schonen, Dänemark), Bretagne, Wales, Irland, Normandie und die Preisgabe der Regionalisierung

• Frankreichs durch Mitterrand im Vordergrund.

• CONSEO = Conferencia de Nacions sense Estat de l'Europa Occidental, Barcelona: Sie ist 1985 aus CIEMEN (Centro Internacio-nal Escarre por la Minories), einem katalanischen Wissenschaftszentrum (Abteien Mont-serrat und Cuixä) hervorgegangen. Ende 1985 veranstaltet diese Organisation eine erste internationale Tagung europäischer Völker und Volksgruppen, die keinen eigenen Staat haben, wobei die Föderalisierung der betreffenden Staaten angestrebt wird.

• Stichting Jan Cobbaut vzw., Sint-Pieters Abtei van Steen-brugge, Brügge: Dies ist eine katholische Stiftung für Sprachfragen und Regionalismus, in Zusammenhang mit der überaus angesehenen Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit (Leitung Peter H. Neide) der St. Aloysius-Hochschule in Brüssel. Veranstaltet werden von dieser Stiftung seit neuestem Kolloquien über grenzüberschreitenden Regionalismus und Sprachfragen in Europa (in etwa analog zu den neuen Veranstaltungen des Südtiroler Kulturinstituts über zweisprachige Toponomastik in Westeuropa).

• Vereinigung für die Sprachen von Minderheitsvölkern (Asso-ciazione per le lingue delle nazioni minoritarie) Rom: Sie hängt mit dem 1984 neu gegründeten Comi-tato Naziohale Federativo delle

Minoranze Linguistiche zusammen. Der erste Kongreß fand im Sommer 1985 in Nuori bei Cagliari auf Sardinren statt. Sie tritt für eine weitere und effektivere Regionalisierung Italiens ein, wobei alle derzeit in Italien organisierten Regional- und Volksgruppen beteiligt sind (Albaner, Alghero-Katalanen, Molise-Kroaten, Fur-laner, Valdostaner („Franco-Pro-venzalen“), Ladiner aus den drei Provinzen mit ladinischer Bevölkerung, Okzitanier aus dem Pie-mont, Roma (Zigeuner), Sarden, Slowenen, Deutschsüdtiroler).

Querverbindungen bestehen zur EWG beziehungsweise zum Europäischen Parlament, von welchem auch Geldmittel kommen. Diese Vereinigung ist betont sozialdemokratisch orientiert.

Natürlich gibt es noch viele andere Institute und Vereinigungen, die sich neben reinen Fragen sprachlicher und ethnischer Minderheiten auch mit Regionalismus befassen, so etwa das von der EG gesponserte „European Bureau for lesser used languages“ mit Sitz in Dublin.

Europaweit gibt es darüber hinaus schon einige hundert Organisationen nicht-politischer Art, die sich mit Regionalismus in irgendeiner Form befassen, abgesehen von regionalen Zusammenschlüssen wie ARGE-ALP, ARGE Alpen-Adria, Regio Basiliensis, Alpazur, Euregio Rhein-Ijssel-Ems, Region Pyrenees usw.

Man darf neugierig darauf sein, ob Regionalismus in Europa nur ein neues Zauberwort für alte Formen (auch des Föderalismus) sein wird oder Substanz gewinnt. Letzteres meint man bei dem schon seit 1978 bestehenden Internationalen Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus, München, das der bayerischen Staatsregierung nahesteht.

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