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Die vergessene Internationale

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Der Besuch der Nahost-Staaten durch eine Delegation der Sozialistischen Internationale unter der Leitung des österreichischen Bundeskanzlers Kreisky wurde von der Weltpresse gebührend wahrgenommen. Diese Organisation zur Zusammenarbeit sozialistischer Parteien entwickelt eine beachtliche Tätigkeit. So wird zum Beispiel die sozialistische Partei Portugals von ihren Gesinnungsfreunden moralisch und materiell unterstützt. Auch die christlichen Demokraten zeigen sich seit Monaten bereit, ihrer Europäisch-Demokratischen Union neue Impulse zu geben. Obwohl die Kommunisten gegenwärtig keine offizielle Internationale besitzen und Komintern sowie Kominform der Geschichte angehören, treffen sich die Delegierten der westeuropäischen kommunistischen Parteien regelmäßig. Man gewinnt den Eindruck, daß die bilateralen Beziehungen zur KPdSU verstärkt und ausgebaut wurden. Moskau plant ein neues Weltkonzil und dürfte trotz der Vorbehalte einzelner westeuropäischer Bruderparteien diesen Plan realisieren. Die beiden kleineren Internationalen, die Liberalen und die Trotzkisten, haben 1974 ebenfalls ihre Strukturen gefestigt. Die Liberalen wollen sogar soweit gehen, ihre nationalen Parteien zu fusionieren und mit einer europäischen liberalen Partei auf warten.

Vollkommen im Schatten stehend und keineswegs in den Einzelheiten erforscht, versucht auch die extreme Rechte beziehungsweise versuchen die Neo-Faschisten ihre Kontakte über die Grenzen hinaus zu stärken und eine europäische Internationale zu aktivieren. So wurde in Paris erst jetzt bekannt, daß eine Spitzenkonferenz der extremen Rechten am 28. und 29. Dezember 1974 in Lyon stattgefunden habe. Auf der Lyoner Tagung waren fast alle neufasehisti- schen Gruppen anwesend, es konnten aber auch Delegierte aus den USA und der südafrikanischen Union begrüßt werden. Auf Grund der damals gefaßten Beschlüsse will man im Februar/März 1975 ein Kontaktbüro in Paris eröffnen. Die französischen Behörden haben sich zu diesem Plan noch nicht geäußert, dürften aber wenig Freude über diese internationale Zuwanderung zeigen.

Die faschistische Internationale blickt nicht auf eine ähnliche Tradition zurück wie die Sozialisten oder Kommunisten. Wohl gab es im Jahre 1936/37 die Initiative der spanischen Falange, eine „weiße” Internationale ins Leben zu rufen. Es kam zu Gesprächen mit gleichgesinnten Kreisen in Frankreich und auch die faschistische Partei Italiens wurde über dieses Projekt informiert. Die nationalsozialistische Partei dagegen hat niemals derartige Ideen verbreitet oder die Pläne einer internationalen Zusammenarbeit der faschistischen Organisationen gefördert. Mit Italien fanden die Kontakte stets auf Staatsebene statt, und nur einzelne führende Nazifunktionäre beschäftigten sich damit, einen Dialog mit nationalistischen Gruppen in Norwegen und Holland einzuleiten. Schon im Schatten der Niederlage, berief der Wiener Gauleiter Baldur von Schirach eine europäische Konferenz faschistischer und nationalsozialistischer Jugendführer in Wien ein. Die Bewunderer Adolf Hitlers und Mussolinis .mußten bis 1951 warten, um in der schwedischen Stadt Malmö ein Treffen veranstalten zu können.

Die wichtigsten Personen der Mal- möer Konferenz waren der Franzose Maurice Bardėche, der Deutsche Heinz Priester und der Engländer Mosley. Damals wurde eine Art von Internationale unter dem Titel „Europäische Sozialbewegung“ ins Leben gerufen. Die Terminologie, welche die Gruppe von Malmö verwendete, war dem Wortschatz der Nationalsozialisten entnommen: so

Disziplin, Ordnung. Werte der abendländischen Zivilisation, Kampf gegen die niederen Rassen. Natürlich wurden die Kreuzzüge gegen Kommunismus und Judentum wieder in Erinnerung gebracht. Mit der M. S. I., der italienischen neofaschistischen Partei unter Giorgio Almirante, verfügte die „weiße“ Internationale — manchmal wird sie die „schwarze“ genannt — über eine Partei, die im Parlament ihres Landes vertreten ist. Es würde zu weit führen, wollte man die Tagungsresultate dieses eigenartigen Gebildes studieren, zumal sich dadurch keine neuen Aspekte ergeben. Rassentheorien stehen im Mittelpunkt ihres Denkens. Die großen Philosophen, die am Vorabend der faschistischen Ära diese Ideologie geformt haben, werden in Ehren gehalten. So entnimmt man dem Konzept des Franzosen Maurras die scharfe Kritik an der Demokratie, zitiert Nietzsche und seinen „Willen zur Macht“ sowie Sorel, der die poli tische Anwendung von Gewalttaten in sein gesellschaftliches System eingebaut hatte. Diese Internationale wechselte mehrfach ihren Namen, aber immer wieder taucht der Begriff „Neue Ordnung“ auf. Während des algerischen Krieges kon- ten die rebellierenden französischen Offiziere, zusammengeschlossen in der Geheimarmee O. A. S„ wertvolle internationale Unterstützung finden.

Im Jänner 1975 analysierte der italienische rechte Abgeordnete Pino Rauti die Form dieser Internationale. Es handelt sich nach Meinung dieses Volksvertreters um eine Serie von Kontaktstellen, die allen neofaschistischen Gruppen in Europa und Übersee Hilfe gewähren. Die Internationale besitzt noch keine eigenen Publikationen. Durch zahlreiche Reisen führender Gesinnungsgenossen, besonders aus Italien und Frankreich, kommt es aber zu regelmäßigen Kontakten. Den

Neo-Faschisten ist es nicht gelungen, namhafte Geldbeträge zur Finanzierung eines internationalen Büros zu sammeln. Es fehlt dieser Internationale an charismatischen Persönlichkeiten, die dem Prinzip des Führertums neue Impulse verschaffen würden. Bis auf weiteres handelt es sich um eine marginale politische Institution, die nicht in der Lage ist, national oder international, gesellschaftliche oder politische Veränderungen durchzuführen. Sollte jedoch die Wirtschaftskrise unserer Tage gefährliche Formen annehmen, so wäre eine Renaissance des Faschismus durchaus möglich.

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