7002974-1987_32_05.jpg
Digital In Arbeit

Einfach Unsinn

Werbung
Werbung
Werbung

Eigenlob bewahrt selten Augenmaß: Erstmals, rühmte sich Familienministerin Marilies Flemming, und ÖVP-Generalse-kretär Michael Graff hat sie dafür schon zuvor gepriesen (FURCHE 30/1987), wird der Schutz des „werdenden Kindes” gesetzlich verankert.

Das ist unrichtig und ein schlichter Unsinn. Denn der Schutz des ungeborenen Lebens ist im geltenden Jugendwohlfahrtsgesetz verankert, unmißverständlich und seit 1954.

Worin die von Flemming und Graff heftig verteidigte Neuformulierung nun eine Verbesserung bringen soll, werden sie wahrscheinlich nicht einmal ihrem Parteiobmann erklären können. Es sei denn, sie machen ein NichtGesetz der rotblauen Koalition zu ihrem Maßstab. Das freilich ist keine besondere Ruhmestat.

Richtig ist nur: Ein Vorschlag der Regierung Sinowatz-Steger für ein Jugendwohlfahrtsgesetz, nie über einen Entwurf hinausgekommen, hat tatsächlich das ungeborene Leben mit keinem Wort erwähnt.

Verglichen mit diesen kleinko-alitionären Intentionen könnte die nunmehrige Regierungsvorlage wirklich wie ein Fortschritt wirken. Allerdings nur dann, wenn die SPO-FPO-Uberlegungen je Rechtskraft erlangt hätten.

Das aber wurde nicht gespielt. Daher bedeutet die großkoalitio-näre Vorlage für ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz in diesem Punkt gegenüber der augenblicklichen Rechtslage eine explizite Verschlechterung (FURCHE 26 und 30/1987). Durchgesetzt hat sich da Johanna Dohnal, nicht Marilies Flemming.

Diese Kritik gilt dem Zielparagraphen des vorgelegten Jugend-wohlfahrtsgesetzes, nicht der Vorlage insgesamt. Positiv gehört angeführt, daß der Gedanke der gewaltfreien Erziehung in den Gesetzentwurf Eingang gefunden hat Daß die Rechte der Pflegeeltern gestärkt und sie besser auf ihre Aufgabe vorbereitet werden sollen. Daß auch die Individualrechte minderjähriger Kinder eine Stärkung erfahren und schon Zehnjährige ein Anhörungsrecht zuerkannt bekommen sollen. Daß auch Mütter unehelicher Kinder mehr Rechte und Pflichten übertragen bekommen.

Das alles soll weder verschwiegen noch geringgeschätzt werden, auch wenn sich die Auseinandersetzung auf den ersten Paragraphen der Regierungsvorlage konzentriert.

Entschieden gehört aber der Auffassung widersprochen, daß diese Kontroverse letztlich alle Bemühungen torpedieren könnte. Dieses (vorgelegte) Jugendwohl-f ahrtsgesetz oder keine — noch so wünschenswerten—Verbesserungen: Das ist die Alternative nicht.*

In unserer Gesetzgebung gibt es genügend Beispiele dafür, daß nicht jede gesetzliche Verbesserung zwangsweise zu einem neuen Gesetz führen muß. Zumeist wird der Weg der Novellierung begangen. So hat es beispielsweise das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz bisher schon auf 43 Novellen gebracht. Warum soll das nicht auch beim Jugendwohlfahrtsgesetz möglich sein?

Weil nur die Neufassung „elegant” den Weg ebnet, die „Sicherung der körperlichen Entwicklung des Kindes von der Empfängnis an” wegzuref ormieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung