7001202-1987_26_01.jpg
Digital In Arbeit

Flemmings Kampf bis zum Umfaller

Werbung
Werbung
Werbung

Jetzt liegt die Regierungsvorlage für eine neues Jugendwohlfahrtsgesetz im Parlament. Und es liegt an den Volksvertretern, sich gründlich mit der Aufgabenstellung auseinanderzusetzen, die in Paragraphen gegossen werden soll.

Es haben nämlich ganz offensichtlich nicht nur finanzielle Fragen den Weg vom Ministerial- entwurf zur Regierungsvorlage um eine Woche verzögert (FURCHE 22/1987). Vielmehr hat sich in der Grundsatzfrage des ungeborenen Lebens eine deutlich andere Interpretation eingeschlichen.

Herumreden bringt nichts, das Konfliktthema gehört offen ausgesprochen: Weil das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz die „Sicherung der körperlichen Entwicklung des Kindes von der Empfängnis an“ als Zielvorstellung nennt, war und ist es fanatischen , Verfechtern der Fristenregelung ein Dorn im Auge. Sie wollen eine Ausnahmeregelung des Strafgesetzbuches zur Regel machen.

Daher sollte schon durch einen Entwurf der kleinen und soll jetzt durch eine Regierungsvorlage der großen Koalition diese Zielvorstellung liquidiert werden. Und das überrascht. Denn für diese Gesetzesstelle wollte Marilies Flemming bis zum Umfallen kämpfen. 1984.

Jetzt hat sie als verantwortliche Familienministerin gekämpft: bis zum Umfaller.

Zwar findet sich in der nunmehrigen Zielformulierung der verwaschene Begriff von „werdenden Kindern“, aber die Erläuterungen klammern den Eigenwert und die Eigenständigkeit ungeborener Kinder aus. Daß ein Kind wird, liest man, „ist eine Folge der mit der Empfängnis eintretenden biologischen, Entwicklung“.

Die explizite Herausnahme des ungeborenen Kindes aus dem Rechtsschutz der öffentlichen Jugendwohlfahrt kann keine noch so verschwommene Kompromißformel kaschieren. Faktum ist, daß es die „Sicherung“, von der bisher die Rede war, künftig nicht mehr geben soll. Keine Frage, wer sich da gegen wen durchgesetzt hat.

Setzt sich aber diese Geisteshaltung auch im Parlament durch, ist absehbar, daß demnächst auch jene Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (FURCHE 23/1987) fallen (müssen), die noch für „ungeborene Kinder … von dem Zeitpunkt ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze“ gewährleisten.

Die Konsequenz, die gesamte Gesetzgebung einer Ausnahmebestimmung des Strafgesetzes anzupassen, ist absurd. Denn das ungeborene Leben braucht heute nicht weniger, sondern besseren Schutz. Wenn der Gesetzgeber dabei nicht auch an künstliche Befruchtung und Retortenkinder denkt, wird er seiner Verantwortung nicht gerecht. Denkt aber überhaupt jemand daran?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung