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Silber streif?

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Mitten hinein in das Gewölk der Granateneinschläge von Vietnam fällt der berühmte „Silberstreifen am Horizont“, den Reichskanzler Stresemann in seiner Parteitagsrede am 17. Februar 1924 zu sehen geglaubt hat. Die Lage war damals in Deutschland so verworren wie heute in Vietnam.

Der Silberstreif, den man (mit allen Vorbehalten) diesmal zu sehen meint, ist ein doppelter Weg Hanois, der möglicherweise den Amerikanern das geforderte „Zeichen guten Willens“ geben soll: Einmal soll der nordvietnamesische Gesandte in Djakarta die Bereitwilligkeit Indonesiens, zu vermitteln, sondiert haben, was dort allerdings dementiert wurde. Noch schwerer wiegt die Erklärung des nordvietnamesischen Außenministers Trinh via Paris: Hanoi „wird“ verhandeln, wenn die USA zuvor die Angriffshandlungen bedingungslos einstellten.

In der vorwiegend zurückhaltenden Reaktion der Weltpresse untersucht man nun die Gründe für die Schwenkung Hanois. Man verweist einerseits auf die schweren Verwüstungen in Nordvietnam durch die gnadenlosen Bombenangriffe der Yankees „ohne Rücksicht auf Verluste“ — wovon man gerade in Österreich und Deutschland ein Lied zu singen weiß ... Anderseits anerkennt man den taktisch klug gewählten Zeitpunkt für das Steigenlassen der kommunistischen Friedenstaube, da die USA derzeit nicht nur an den Widerständen im eigenen Land gegen den Vietnamkrieg, sondern auch an den Dollar-Sorgen und dem schweren Brocken des Vorwahlklimas zu würgen hätten: zwei angeschlagene Gegner suchten einander, um sich zu trennen ...

Gewisses Aufsehen hat auch die Nachricht von einer Kontaktnahme des Heiligen Stuhls durch die Nuntiatur in Paris mit der dortigen diplomatischen Vertretung Nordvietnams erregt, um die Erlaubnis zur Entsendung einer karitativen Mission nach Hanoi zu erlangen.

Überall also Tauwetter?

Aber: Wird denn die Entscheidung überhaupt in Washington, Hanoi oder Saigon fallen, und nicht vielleicht ganz anderswo — etwa in Peking? Das benachbarte Kambodscha ist (ein Blick auf die Landkarte genügt!) unentbehrliches Operationsgebiet für beide kämpfende Teile — und Peking ist an dortigen Zwischenfällen und Ausweitungen hoch interessiert.

Hier droht die Gefahr einer neuen Brandrote. Auch haben neue Kampfhandlungen in den letzten Stunden den Optimismus etwas gedämpft. Trotzdem wollen wir vorsichtig, realistisch an den Silberstreifen glauben! Beide Partner und mit ihnen die ganze Welt sehnen sich nach noch mehr: Nach einem richtigen Sonnenstrahl!

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