6807059-1972_13_10.jpg
Digital In Arbeit

Ferdinand Maaß—70 Jahre

Werbung
Werbung
Werbung

Einer der international bekanntesten und profiliertesten österreichischen Wissenschaftler, der Innsbrucker Ordinarius für Kirchengeschichte, Prof. Dr. Ferdinand Maaß SJ, vollendet am 23. März 1972 sein 70. Lebensjahr. Sein international anerkanntes Standardwerk „Der Josephinismus“ gehört im gesamten Abendland zur historischen Standardlektüre und bezeugt die Kontinuität der großartigen Leistungen österreichischer Geschichtswissenschaft. Im September 1970 ehrte der österreichische Bundespräsident den verdienstvollen Jesuiten mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, der höchsten Auszeichnung für Gelehrte in Österreich.

Der heute in aller Welt geachtete Forscher wurde am 23. März 1902 in Ried im Oberinntal als Sohn des Bauern Joseph Alois Maaß geboren. Dort wurde sein Charakter durch ein frommes Elternhaus geprägt. Von 1908 bis 1913 besuchte er die einklas-sige Volksschule in Ried und von 1913 bis 1921 das Staatsgymnasium in Bregenz. Im Juli 1921 maturierte er in Bregenz mit Auszeichnung und trat vor nunmehr einem halben Jahrhundert in die Gesellschaft Jesu ein. Nach der Noviziatszeit studierte er 1923 und 1924 Rhetorik und 1924 bis 1927 scholastische Philosophie. An eine historische Lehrtätigkeit dachte er zunächst nicht, sondern wurde Professor am Gymnasium auf dem Freinberg bei Linz. Von 1928 bis 1932 studierte er in Innsbruck Theologie. Schicksalhaft für sein weiteres Leben wurde seine Begegnung mit dem Historiker Heinrich von Srbik, der seit 1933 in Wien Maaß' historisches Talent entdeckte. Srbik wurde sein eigentlicher Lehrer, der seinem Lieblingsschüler Maaß bis zu seinem Todestag in väterlicher Zuneigung zugetan blieb. 1938 promovierte Maaß mit einer Arbeit über die „Geschichte der Jesuiten in Tirol von 1838 bis 1848“ ein Werk, das die große Bedeutung der Hauschronik der Familie Giovanelli für die Tiroler Geistesgeschichte erwies, bei Srbik zum Dr. phil. In dieser Zeit war Österreich eben von den Nationalsozialisten annektiert worden, die es nicht duldeten, daß ein Ordensmann das Lehramtsexamen ablegte. „Bei mir haben Sie ja nicht viel gekonnt“, sagte Srbik schmunzelnd zu Maaß beim Rigorosum, weil er genau wußte, daß Maaß sich aufs äußerste bemühen mußte, um seine Examina bei den nationalsozialistischen Professoren zu bestehen. Seiner Karriere wurde dann bald ein Ende gemacht. 1938 wurde Maaß noch Dozent für Kirchengeschichte an der privaten theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. Am 11. Oktober 1939 jedoch wurde die theologische Fakultät aufgehoben, Maaß aus Tirol ausgewiesen und mußte untätig bis zum Zusammenbruch des Nationalsozialismus auf die Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit warten. Mit der Studie „Vorbereitung und Anfänge des Josephinismus“ habilitierte er sich dann 1947 bei Hugo Rahner, dessen Lehrstuhl er dann später übernahm.

Damals faßte Maaß auch den Plan, die für die österreichische und europäische Geschichte so wichtige Epoche des Josephinismus darzustellen . Zunächst war die Arbeit auf einen Band geplant. Dann nahm sich die österreichische Akademie der Wissenschaften und das Unterrichtsministerium des Planes an. Auf ihren Wunsch sollte das Werk zunächst die Zeit von 1770 bis 1790 behandeln. Das Werk wurde jedoch zu einem solchen Erfolg, daß es auf Wunsch der Akademie der Wissenschaften, die Maaß später zu ihrem korrespondierenden Mitglied ernannte, bis 1850 fortgeführt wurde. Von 1951 bis 1961 erschienen die fünf Bände des Werkes JDer Josephinis-mus“ als 71. bis 75. Band der „Fontes Rerum Austriacarum“ beim Verlag Herold in Wien. Auf das mehr als 3000 Seiten umfassende Standardwerk Maaß' bauten seine Schüler weitere Arbeiten auf. Später begründete Maaß eine eigene Publikationsreihe, die „Forschungen zur Kirchengeschichte Österreichs, Jose-phinische Abteilung“. Durch weitere Quellenstudien sah sich Maaß veranlaßt, seine Ausgangsposition neu zu überarbeiten. Er stellte durch zahlreiche Studien im In- und Ausland fest, daß die entscheidende Verantwortung für die Begründung des staatskirchlichen Systems in Österreich nicht auf den Staatskanzler Fürst Kaunitz, sondern auf Maria Theresia fällt. Seine Abhandlung „Maria Theresia und der Josephinismus“ in der „Zeitschrift für katholische Theologie“, Band 7911957 kündigte diese Wendung an. Zahlreiche Wissenschaftler und Verehrer Maria Theresias widersprachen dieser Auffassung und wollten Marias Theresias Schuld am Josephinismus nicht wahrhaben. Daher widmete er der Universität Innsbruck zur 300-Jahr-Feier 1969 das Buch „Der Frühjosephinismus“ (Herold), in dem er seine Auffassungen fundiert darlegte. Nun konnten auch die begeistertsten Anhänger Maria Theresias ihre Mitschuld an dem spannungsgeladenen Verhältnis von Kirche und Staat von 1760 bis 1850 nicht mehr leugnen.

Maaß ist Theologe und Historiker. Vom theologischen Standpunkt aus betrachtet, haben Maria Theresia und Joseph II. schwere Schuld auf sich geladen. Breite Kreise in Österreich wollen dies aber immer noch nicht anerkennen. Die Aufstände in Belgien und Ungarn gegen Ende der Regierungszeit Josephs II. haben indes gezeigt, daß der Kaiser zu weit gegangen war. Diese Erkenntnis gilt jedoch auch für das Verhältnis des damaligen österreichischen Staates zur Kirche. Die großartigen Leistungen Maria Theresias und Josephs II. auf dem Gebiet der Verwaltung und

Innenpolitik haben mit diesem Vorgehen ebensowenig zu tun wie gewisse Auswüchse kurialer Politik in verschiedenen Zeiten. Maaß hat mit unerbittlicher Schärfe das für viele Österreicher harte Urteil ausgesprochen, daß Maria Theresia in der Kirchenpolitik inkonsequent und zugleich skrupellos vorging. Auch der größte Patriot kann etwa die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß Maria Theresia dem Papst zugesichert hatte, sich für die Erhaltung der Gesellschaft Jesu einzusetzen und den Jesuitenorden dann skrupellos ihren machtpolitischen Ambitionen opferte, da die Hochzeit ihrer Tochter Maria Antoinette mit Ludwig XVI. nur unter dieser Voraussetzung möglich war. Dadurch, daß Maaß dieses Urteil über die große Kaiserin in Erinnerung gebracht hat, ist er in weiten Kreisen Österreichs unbeliebt geworden.

Wie sehr jedoch die in- und ausländische F achw elt die Richtigkeit dieser Thesen anerkannt hat, zeigt sich besonders darin, daß zwei Stellen des In- und Auslandes Maaß zum 70. Geburtstag eine Festschrift „Staat und Kirche in Idee und Geschichte des Abendlandes“ widmen, die vom Verlag Herold in Wien herausgegeben wird. Dieses handbuchartige Werk wirddieZeit vom S.Jahrhundert bis zu Erzherzog Franz Ferdinand behandeln und eine Einführung von Prof. Ettore Passerin d'Entreves enthalten.

Mit diesem Werk ehrt die in- und ausländische Fachwelt einen Gelehrten von internationalem Rang, an dessen Werk kein österreichischer Historiker des 18. und 19. Jahrhunderts mehr vorbeigehen kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung