In Zeiten von Krieg und Hass: "Seid Menschen!"

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"Hass bringt nichts", meint eine Holocaust-Überlebende. Über die Schwierigkeit, dieses Motto umzusetzen.

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"Hass bringt nichts", meint eine Holocaust-Überlebende. Über die Schwierigkeit, dieses Motto umzusetzen.

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Am Wochenende feierte in Berlin Margot Friedländer ihren 102. Geburtstag. Ich verehre diese Frau, seitdem ich ihre Geschichte als einzige Holocaust-Überlebende ihrer Familie in einem Film dokumentieren durfte. Damals lag ihr Lebensalter gerade noch im zweistelligen Bereich. Für diese 99 Jahre bilanzierte sie: „Ich habe niemals gehasst. Hass bringt nichts.“ Nach dem Massaker der Hamas, nach dem Pogrom vom 7. Oktober habe ich an Margot Friedländer gedacht und mich gefragt, wie sie damit umgeht. „Es ist ganz fürchterlich“, sagt sie jetzt. „Aber wir sind alle Menschen. Es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches Blut, nur menschliches. Seid Menschen!“

Menschlichkeit statt Hass, Mitgefühl mit den Opfern auf allen Seiten. Der Ratschlag dieser lebensklugen Frau klingt fast banal. Aber er beinhaltet auch den Verzicht auf den reflexhaft erfolgenden Verweis auf die jeweiligen Narrative und der damit verbundenen Frage nach der moralischen Überlegenheit. Spätestens jetzt wird die Umsetzung dieses Rates schwierig, für viele gar in ihrem Schmerz und Leid unmöglich. Das ist nachvollziehbar. Nur entkommen wir so niemals der Spirale von Hass und Gewalt.

Betont sei, dass dies kein Aufruf dazu ist, das Übertreten roter Linien zu akzeptieren. Ganz im Gegenteil. Mensch sein bedeutet: Null Toleranz bei Judenhass! Null Toleranz gegenüber Terroristen! Aber lasst uns doch gemeinsam auf den Straßen demonstrieren. Jüdische und palästinensische Menschen zusammen im Gedenken an die Opfer und mit dem Wunsch nach Frieden. Der Druck auf die Politik wäre um ein Vielfaches größer. Auch der Druck auf die arabischen Staaten. Diese werden entscheidend sein, wenn es darum geht, eine langfristige, friedliche Lösung für die Palästinenser zu schaffen, die gleichzeitig das Existenzrecht des Staates Israels garantiert.

Die Autorin ist Redaktionsleiterin Ausland und politischer Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk.

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