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Kritisches Gewissen

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Kardinal Stephen Kim, Erzbischof von Seoul, hat unlängst mit Nachdruck die Wiedervereinigung von Nord- und Süd-Korea gefordert und - im Hinblick auf die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Studenten - jede Form von politischer Gewalt verurteilt.

Der Prozeß der Demokratisierung sei unvereinbar mit extremem Radikalismus oder sozialer Revolution, betonte Kim. Er übte Kritik an der „institutionellen Gewalt“ in Südkorea und empfahl Präsident Roh Tae Woo, die „Spirale von Haß und systematischer Gewalt einzudämmen“. Konkret nannte der Kardinal dabei die „Schwarzen Listen“, mit denen Betriebe ihre Angestellten einschüchterten, wenn sie aufbegehrten.

Dieses gesellschaftspolitische Engagement der katholischen Kirche in Südkorea erklärt, warum so viele Koreaner in der Kirche ihren Anwalt sehen und warum die Zahl der Christen pro Jahr um zehn Prozent steigt.

Gegenwärtig gehören sie-, beneinhalb Millionen Koreaner evangelischen Kirchen und zwei Millionen der katholischen Kirche an — 25

Prozent der Südkoreaner sind also Christen.

Der hohe Zuwachs hat in der katholischen Kirche für große, unübersichtliche Pfarren gesorgt. Pfarren mit 60.000 Gläubigen sind keine Seltenheit.

Ein Grund für den Wechsel aus der konfuzianisch-buddhistisch geprägten Lebenswelt zum Christentum liegt in der Orientierungslosigkeit vieler Koreaner im gesellschaftlichen Leben. Bailungszentren wie Seoul sind in den vergangenen 20 Jahren enorm gewachsen. Pfarren wurden zu Auffangbek-ken für Zuwanderer aus ländlichen Gebieten.

Kirchen waren zudem für Oppositionelle ein Freiraum, den das Militär nur schwer anzurühren vermochte.

Die Kirchen verstehen sich in Südkorea sehr bewußt als „kritisches Gewissen der Gesellschaft“, auch jetzt, da sich mit der Präsidentenwahl vom vergangenen Dezember die Lage etwas entspannt hat.

Wie es in Nordkorea um das Christentum bestellt ist, kann mit Gewißheit nicht gesagt werden. Christliche Gemeinden dürfte es nur in Untergrundzirkeln geben.

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