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Luftkreuz -oder Provinzflughafen

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Mitte der vergangenen Woche überreichte Verkehrsminister Frühbauer der Flughafen-Wien-Betriebsgesellschaft die Genehmigung der obersten Luftfahrbehörde zur Errichtung einer zweiten Piste. Damit ging ein fast neun Jahre dauerndes Verfahren zu Ende. Denn bereits im Jahr 1963 hatten sich der Vorstand und der Aufsichtsrat erstmals mit dem Problem des Baues einer zweiten Piste befaßt. 1964 wurde der entsprechende Antrag an das Verkehrsministerium weitergeleitet. Hauptschuld an der Verzögerung des Verfahrens trägt aber nicht das Ministerium, das in den langen Jahren einen Aktenberg von 88 cm Höhe anhäufte, sondern die Problematik, die die Errichtung einer zweiten Piste im Einzugsbereich einer Großstadt mit sich bringt.

Nicht nur der Flughafen Aspern muß der neuen Piste weichen, die Änderung der An- und Abflug-schneisen bringt auch Gebiete in die lärmintensive Zone, die bisher vom Lärm verschont waren. Doch all diese Schwierigkeiten konnten jetzt überwunden werden, die Verantwortlichen des Flughafens blicken optimistisch in die Zukunft.

Was kann eine zweite Piste einem Flughafen für Vorteile bringen? Wichtigster Vorteil ist sicherlich eine gesteigerte Betriebssicherheit und die Sicherheit der Benützbarkeit des Flughafens auch in Ausnahme-Situationen. Wie das anders aussieht, zeigte der Unfall im Dezember 1971, als der Zusammenstoß einer DC 9 der Swissair mit einem kleinen Sportflugzeug Österreichs größten Flughafen einen halben Tag lang lahmlegte. Ähnliche Probleme können sich auch bei starkem Schneefall ergeben, der eine Piste relativ rasch lahmlegt. Gibt es eine zweite Start- und Landestrecke in einer anderen Windrichtung, so kann der Flugbetrieb aufrechterhalten werden.

Wien-Schwechat soll, nach dem Willen seiner verantwortlichen Funktionäre, zum Luftkreuz „Südost“ werden. Bisher ist das eindeutig nicht gelungen. Nicht nur, daß die heimische Fluglinie „Austrian Airlines“ keine interkontinentalen Flüge mehr durchführt, auch andere Gesellschaften scheinen Flughäfen wie Zürich oder Frankfurt als geeignetere Startpositionen — etwa für Transatlantikflüge — zu empfinden als Wien.

Die zunehmende Uberfüllung internationaler Flughäfen, die damit verbundenen lästigen Wartezeiten und höheren Gebühren könnten aber verschiedene Gesellschaften zum Umdenken veranlassen. Die neue Piste in Schwechat wird mit einer Länge von 3600 Metern und einer Breite von rund 50 Metern durchaus modernsten Maßstäben entsprechen und voll „Jumbo-tauglich“ sein.

Verschiedene Dinge müssen aber bis zum Jahr 1976, dem voraussichtlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme der neuen Piste, noch geschehen, um den Flughafen Wien-Schwechat wirklich international vergleichbar zu machen. So ist vorerst die Frage eines City-Air-Terminals, einer zentralen Sammelstelle mit Gepäck-und Passagierabfertigung in der Stadt, bereits gelöst. Der Neubau eines Hotels auf dem Gelände der ehemaligen Markthallen im dritten Bezirk wird der Bundeshauptstadt einen modernen Terminal bringen.

Ein zweites Problem, das bisher zwar theoretisch gelöst erscheint, in der Praxis aber erst verwirklicht werden muß, sind die Verkehrswege von und zum Flugplatz. Die Simmeringer Hauptstraße mit ihren zahlreichen Ampeln und dem starken innerstädtischen Verkehr ist sicher nicht in der Lage, den Verkehr so zu bewältigen, wie es moderne Flughafenzufahrten erfordern. Dazu kommt noch der Eisenbahnübergang bei der Ortseinfahrt von Schwechat, der schon manchem verspäteten Passagier seinen Flug gekostet hat. Die Schaffung eines neuen Straßensystems zum Flughafen ist in der Planung bereits beschlossene Sache. Noch heuer soll mit dem Bau einer Autobahn vom Prater nach Schwechat begonnen werden. Als Ergänzung dazu soll die Straßenzufahrt weiter verbessert werden und der Flughafen in das Wiener Schnellbahnnetz eingegliedert werden. Zu den Problemen der Infrastruktur kommen aber noch andere wichtige Entscheidungen: Beispielsweise die Frage des Catering, also der Verpflegung für die Flugzeuge, scheint nicht ganz zur Zufriedenheit der Gesellschaften gelöst zu sein.

Sollten all diese Probleme bis zum Jahre 1976 in Angriff genommen werden, so scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, daß auch große internationale Verbindungen Wien regelmäßig anfliegen. Wenn man den Gesellschaften entsprechend attraktive Angebote machen kann, könnte Wien den Dornröschenschlaf, der ihm von Kommentatoren manchmal nachgesagt wird, ablegen und, ebenso wie benachbarte Flughäfen im Ausland, zu einem echten Luftkreuz und Verteilerflughafen werden.

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