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So begann es

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Wer jünger als vierzig Jahre ist, mag sich fragen, wie es möglich war, einer politischen Bewegung anzugehören, deren Wirkung allein in Österreich in wenigen Jahren eine Bilanz von 505.000 Toten hatte. Eine der Ursachen, eine gewichtige, wird in dem Schauspiel „Rassen“ von. Ferdinand Bruckner erkennbar, das derzeit das Theater der Courage aufführt Es ist das eine Neuinszenierung des an dieser Bühne vor zwölf Jahren gespielten Stücks.

Der Medizinstudent Karlanner, dessen Braut Helene eine Jüdin ist, kommt von seiner demokratischen Gesinnung ab, als er in einer nationalsozialistischen Versammlung rauschhaft das Erlebnis eines Gemeinschaftsgefühls kennenlernt, das ihn jeder persönlichen Verantwortung enthebt. Das Ich wird, für manche wohltuend, so auch für ihn, zum Teil eines großen Ganzen. Karlanner löst seine Verlobung, wird aktives Mitglied eines NS-Schlägertrupps. Als er aber den Befehl erhält, seine frühere Braut zu verhaften, warnt er sie, verhilft er ihr zur Flucht. Ihn aber holen die Kommüitonen-Schergen ab.

Es ist erstaunlich, wie messerscharf richtig die damaligen NS-Zustände in diesem in der Emigration geschriebenen Stück gezeichnet sind. Da es im Jahr 1933, also sehr früh entstand, zeigt Bruckner zwar die schandbare Behandlung eines Juden, des Studenten Silbermann, Sadismus springt auf, aber das ganze Grauen ungeheuerlichen Ausmaßes, das später aufkam, ist noch nicht beschworen. Noch kommen Helene und Siegelmann mit dem Leben davon, sie können ausreisen, noch wird Helenes Vater als für die Nazis wichtiger Wirtschaftsboß toleriert, um so mehr, als er sich voll zu Deutschland bekennt.

Unter der Regie von Martin Truth-mann gibt es eine wirksame Aufführung, es kommt vor allem die Dialektik der gegensätzlichen Einstellungen überzeugend heraus. Michael Gampe spielt den Karlanner mit verhaltenen Mitteln, das innerliche Unsichere der Gestalt wird überzeugend spürbar. Almut Zilcher gibt der Helene weibliche Leidenschaftlichkeit. Gut zeichnen Wolf Dähne einen fanatisch theo-retisierenden und Reinhard Reiner einen scharfmacherischen Nazistudenten, weiters Thomas Stolzeti den Siegelmann, Helmut Schleser den in sich gefestigten Vater Helenes. Bühnenbild: Lediglich Möbel, einmal ein Versatzstück.

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