6795626-1971_09_09.jpg
Digital In Arbeit

Überwintern bei Castro

19451960198020002020

Nach dem Thunfischkrieg zwischen den USA und Ekuador, der mit dem „Kampf zwischen einem fetten Wal und einer mageren Sardine" verglichen wurde, könnte dem amerikanischen Wal im russischen Wal ein gleichwertiger Konkurrent erwachsen. Bekanntlich wollten die Nordamerikaner, die ihr eigenes Hoheitsgebiet längst weit aufs hohe Meer hinaus ausgedehnt hatten, dem kleinen Ekuador nicht dasselbe Recht zugestehen, was zur Aufbringung amerikanischer Fischereifahrzeuge durch ekuadorianische Kriegsschiffe (stammend aus amerikanischen Uberschußlieferungen) führte.

19451960198020002020

Nach dem Thunfischkrieg zwischen den USA und Ekuador, der mit dem „Kampf zwischen einem fetten Wal und einer mageren Sardine" verglichen wurde, könnte dem amerikanischen Wal im russischen Wal ein gleichwertiger Konkurrent erwachsen. Bekanntlich wollten die Nordamerikaner, die ihr eigenes Hoheitsgebiet längst weit aufs hohe Meer hinaus ausgedehnt hatten, dem kleinen Ekuador nicht dasselbe Recht zugestehen, was zur Aufbringung amerikanischer Fischereifahrzeuge durch ekuadorianische Kriegsschiffe (stammend aus amerikanischen Uberschußlieferungen) führte.

Werbung
Werbung
Werbung

Die amerikanischen Kapitäne zahlten mehr als 17 Millionen Schilling Bußgelder, die USA froren an die 750 MUlionen Schilling Militärhilfsgelder ein und. die Beziehungen san-k:^ auf, eineo Tiefpunkt… Nun prophezeit der pensionierte, seit jeher als Hecht im Karpfenteicäi bekannte US-General John D. Hayes in einem Artikel für die Zeitschrift „Interplay", daß wohl in absehbarer Zeit, so meint er, auch russi-scäie Fisciiereiflotten in den lateln-amerikanisciien Gewässem aufkreuzen und direkt vor der amerikanischen Haustür operieren könnten.

Das Gegenmittel, das Hayes anpries, führte dazu, daß eine Anzahl von Augenbrauen in Washington mißmutig in die Höhe gezogen wurde. Hayes empfiehlt nämlich nicht mehr und nicht weniger als eine Annäherung der USA an Fidel Castro und durchbrach damit ein noch immer als eisern geltendes Tabu der amerikanischen Politik.

Hayes ist der Ansicht, daß der Einsatz sich lohnen würde, denn es steht allerdings mehr auf dem Spiel als nur eine amerikanisch-sowjetische Konkurrenz in mehr oder weniger fetten Fischereirevieren in unmittelbarer Nachbarschaft der amerikemi-schen Küsten. Der hochigesteUte Pensionist ist vielmehr der Ansicht, daß die Russen den in letzter Zeit häufig erwähnten kubanischen Hafen Cien-fuegos möglicherweise als Winterübungsplatz für Flotteneinheiten verwenden könnten, die ihr Wintertraining bisher im Schweirzen Meer absolviert haben.

Die Sowjets würden auf diese Weise, so Hayes, mehrere Fliegen mit einer

Kappe schlagen. Sowjetische Kriegs-scäiiffe in unmittelbarer Nähe der amerikanischen Küste würden es sehr . vi|l scIhW’jerigeir njachen, der sowje-Usciien -iJiitÄwei- und Handelsschiffe

Herr zu werden. Sie würden, sozusagen im Gegeneuig zur US-Präsenz im Mittelmeer, demonstrieren, daß die Sowjets gewillt sind, von der „Freiheit der Meere" politisch betonteren Gebrauch zu machen als bisher, denn in der Vergangenheit hielten sie sich auf diesem Gebiet in be-

merkenswerter Weise zurück. Die Freundschaft mit Castro würde gestärkt und last, but not least: Der Weg der in Frage kommenden Flotteneinheiten, die im Sommer in der Nord- und Ostsee stationiert sind, wäre über den Atlantik nur um 500 Meilen länger als der lange Weg von der Ostsee ins Schwarze Meer. Die sowjetischen Einheiten würden auch sehr viel unbehelligter, sprich: nicht so sehr unter den Augen der NATO und ihrer hochgezüchteten Spionagetechnik fahren, wenn sie das Mittelmeer, das „Hausmeer der NATO", vermeiden. Hayes ist darüber hinaus der Meinung, daß es sich die USA, Sowjetschiffe hin, Fischereikonflikte her, , ohnehin längst nidit mehr leisten Körinen, mit einem nun einmal souveränen, anderseits aber nur 90 Meilen von ihrer Küste entfernten Land, nämlich Kuba, in Dauerfehde zu liegen. Die USA, so der pensionierte Admiral, „brauchen Kuba und Kuba braucht die USA", die Castro wesentlich wirkungsvoller in seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten beistehen könnten als die Sowjetunion.

Hayes wäre nicht Admiral, würde er nicht, unabhängig von einem politischen Ausgleich mit Castro, doch auch eine wesentliche Verstärkung der US-Flotte im Golf von Mexiko und in der Karibischen See fordem. Dort operierten nämlich zeitwei.^, so im Juli 1969 und dann wieder im Mai 1970, mehr sowjetische als amerikanische Kriegsschiffe. Ein Zustand, der ihm nicht gefällt, den die Sowjets freilich im Umkreis ihres eigenen Machtblocks seit Jahr und Tag hinzunehmen haben.

Die Washingtoner Reaktionen auf die freimütigen Äußerungen gestatten keine Rückschlüsse darauf, ob es sich um einen Alleingang des alten Seebären handelt, oder um eine „bestellte Provokation", die dazu bestimmt sein könnte, die Reaktionen auf eine ventilierte Umgmppierung der amerikanischen Kubapolitik zu testen. Ersteres erscheint wahrscheinlicher. Die offizielle Reaktion war bisher peinliches Schweigen. Und natürlich schwieg auch das offizielle Havanna, das ein Wörtchen mitzureden hätte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung