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Unser Sorgenkind

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Kohl kommt. Weitersagen! Das wird aber eine aufregende Woche für euch Österreicher! Der größte deutsche Kanzler aller Zeiten (ca. 1#4 Meter) kommt in die Alpenrepublik. Freut euch ihr Hirten all.

Er kommt aber nicht bloß auf Urlaub, wie schon oft. Er kommt auch nicht mehr einfach unangemeldet wie schon einmal, als er im Herbst '82 - übers ÖVP-Rei-sebüro vermittelt — quasi gleich auf der E-Spur zum Ballhausplatz wollte. Damals konnte dann Bundeskanzler Kreisky seinen frischgebackenen und doch schon pausbackigen deutschen Kollegen nicht empfangen. Das protokollarische Wasser zwischen ihnen war viel zu tief. Und erst die Abneigung!

Bruno Kreisky sollte nämlich von einer geistig-moralischen Wende — einer pfälzer Spezialität von Kohl — nichts wissen. Er konnte ja damals auch nicht ahnen, daß diese Wende von einem österreichischen Staatsbürger namens Flick mitfinanziert wurde.

Und wer weiß, ob einen so aufgeschlossenen Polit-Sponsor, der Politiker laufen läßt wie Fußballer oder Rennpferde, nicht auch die Geschichten vom Dr. Kreisky interessiert hätten? Statt nur Landeshauptmann Haslauer zu unterstützen, der jetzt selbst Geschichten macht und ausgerechnet am 8. Dezen\ber die geistig-moralische Wende gegen das Einkaufsparadies Bayern probt. Mit einer Salzburger Händleroper.

Doch zurück zu Kohl. Diesmal kommt er nämlich richtig als Staatsbesucher, korrekt angemeldet und gekleidet. Nicht mit geflickten Hosen und gehorteten Schuhen. Gewissermaßen mit Pomp und Pompadour. Das ist für die Fremdenverkehrswerbung Alarmstufe 1. Dann schaut nämlich ganz Westdeutschland auf euch Österreicher, ob ihr Adenauers großes Enkelkind im Kanzleramt auch so liebt wie wir.

Wir lieben ihn nämlich alle. Halt wie unser Sorgenkind, das in jedem unbewachten Augenblick in jedes aufgestellte Fettnäpfchen einfach tappt und sich mit allem bekleckert. Bloß nicht mit Ruhm. A ber er läßt sich nichts anmerken.

Der Staatsbesuch wird sicher ein großer Erfolg. Erstens weil es zwischen uns keine Probleme gibt. Und darüber kann niemand anschaulicher reden als Kohl. Zweitens aber auch, weil man schon bisher gespürt hat: Die Österreicher lieben Kohl. Nicht etwa weil sie die Deutschen lieben, die ja häufig so auftreten, als seien sie den Österreichern überlegen. Diesen Verdacht hat bei Kohl niemand. Die Österreicher mögen Helmut Kohl wie einen zufällig zu groß geratenen Landeshauptmann.

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