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Viel Wasser

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Fachleute und Presse rätseln seit Wochen in Ost und West an der sowjetischen Getreidemisere herum, ohne darüber präzise Daten und Zahlen mitteilen zu können. Die nüchterne Wahrheit ist aus einer Studie des Präsidenten der Lenin-Landwirtschaftsakademie, Professor Pawel Lobanow, zu erfahren, der unter Stalin von 1946 bis 1953 Erster' Stellvertretender Landwirtschaftsminister der UdSSR war. Es ist die einzige sowjetische Quelle, aus der man heuer ohne Schönfärberei etwas über den Getreidemangel erfahren kann. Lobanow gibt an, daß die diesjährige Produktion 167 bis 167,5 Millionen Tonnen ausmache. Dies dürfte dem Durchschnitt der vergangenen sechs' Jahre entsprechen.

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Fachleute und Presse rätseln seit Wochen in Ost und West an der sowjetischen Getreidemisere herum, ohne darüber präzise Daten und Zahlen mitteilen zu können. Die nüchterne Wahrheit ist aus einer Studie des Präsidenten der Lenin-Landwirtschaftsakademie, Professor Pawel Lobanow, zu erfahren, der unter Stalin von 1946 bis 1953 Erster' Stellvertretender Landwirtschaftsminister der UdSSR war. Es ist die einzige sowjetische Quelle, aus der man heuer ohne Schönfärberei etwas über den Getreidemangel erfahren kann. Lobanow gibt an, daß die diesjährige Produktion 167 bis 167,5 Millionen Tonnen ausmache. Dies dürfte dem Durchschnitt der vergangenen sechs' Jahre entsprechen.

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Was sagen die Statistiken? Die Ernte von 1966 erreichte 172,2 Millionen Tonnen, die von 1967 nur 147,9 Millionen Tonnen. Im Jahre 1968 konnte die vollkollektivisierte sowjetische Agrarwirtschaft mit 169,5 Millionen Tonnen aufholen, worauf 1969 ein Rückfall auf 162,4 Millionen Tonnen erfolgte. 1970 war ein Rekordjahr und die Getreideernte erreichte 186,8 Millionen Tonnen. Lobanow hat das Endresultat von 1971 nicht mitgeteilt und sich auch darüber ausgeschwiegen, welche Importe in schlechten Jahren getätigt werden mußten, als der unbedingt notwendige Erntedurchschnitt von 167,5 Millionen Tonnen nicht erreicht werden konnte.

Sowjetplaner haben es immer schon leichter gehabt als die Kolchosbauern. Papier ist geduldig und trägt die hochtrabendsten Vorschriften ebenso gelassen wie die bescheidensten. Nicht so die Erde und die Kollektivbauern, die jährlich wahre Zauberkünste vollführen sollten. So haben die Planer beispielsweise vorgeschrieben, daß die durchschnittliche sowjetische Jahresproduktion an Getreide in der Periode 1971 bis 1975 195 Millionen Tonnen ausmachen müsse. Um so peinlicher wirkt dann die Mitteilung Loba-nows, derzufolge die Sowjeterde derlei Vorschriften in diesem Jahr überhaupt nicht respektiert hat und den Sowjets 28 Millionen Tonnen Getreide schuldig geblieben ist.

Obendrein ist die Qualität des jetzigen Getreides so miserabel, daß Landwirtschaftsminister W. W. Mastkjewitsch von den „schlechtesten Wetterverhältnissen des Jahrhunderts“ sprach, um den enormen Ausfall irgendwie zu begründen. Minister Maskjewitsch konnte außerdem nicht verschweigen, daß „die Qualität sehr schlecht ist'“.

Die Feuchtigkeit hat in diesem Jahr jedenfalls viel Schaden angerichtet. Zur Minderernte trat so noch ein Verlust von ungefähr 20 Prozent hinzu und in die Scheunen wurden nicht mehr als 134 Millionen Tonnen trockenes Getreide von guter Qualität eingeliefert.

Es muß abschließend noch darauf hingewiesen werden, daß objektive Experten bereits im Februar den Ertrag der sowjetischen Getreideernte von 1972 auf 170 Millionen Tonnen geschätzt haben.

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