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„Wunschkandidat“ im Out

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Die Studenten der Katholischen Theologie an der Universität Wien haben über ihre Fakultätsvertretung in einer Presseaussendung ihr „äußerstes Befremden“ kundgetan. Der Grund für den studentischen Unmut: die Regelung der Nachfolge des nach Freiburg im Breisgau abgewanderten Dogmatik-Professors Gisbert Greshake.

Die Fakten: Mit 31. März 1985 wurde der Dienstposten eines ordentlichen Universitätsprofessors für dogmatische Theologie und Dogmengeschichte an der Katholisch-TheologischenFakul-tät der Universität Wien vakant. In der Folge setzte das Fakultätskollegium eine sogenannte Berufungskommission ein, deren Aufgabe es nach dem Universitätsor-ganisationsgesetz (UOG) ist, eine Liste von drei Kandidaten für den verwaisten Lehrstuhl zu erstellen.

Am 29. März 1985 beschloß die Berufungskommission mit einer Mehrheit von 14 gegen sechs Stimmen folgenden Dreiervorschlag: Gerhard Müller, Freiburg/Breisgau, Matthias Eichinger, St. Pölten und Siegfried Wiedenhofer, Frankfurt/Main. In dieser Reihenfolge wurde dann der Besetzungsvorschlag dem

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung übermittelt.

Was dann geschah, erregt heute die Gemüter an der Katholisch-Theologischen Fakultät: „Entgegen allen bisherigen Gepflogenheiten“, so die Pressemitteilung der Fakultätsvertretung, „wurden daraufhin von seiten des Wissenschaftsministeriums Berufungsverhandlungen mit dem zweitgereihten Kandidaten begonnen.“

Der Haken dabei: laut UOG können Besetzungsvorschläge zwar eine Reihung aufweisen, diese haben nach der bestehenden Rechtslage jedoch keine bindende Wirkung für den Wissenschaftsminister. Allerdings, so die Fakultätsvertretung, habe sich das Ministerium bisher, nach einer Art Gewohnheitsrecht, an die Reihung der Berufungskommissionen gehalten.

Zumindest bei den Theologen. Denn was andere Fakultäten anlangt, war das Ministerium schon bisher nicht immer zimperlich und stellte die Berufungsvorschläge mitunter auf den Kopf. Aus politischen oder anderen, wenig transparenten Erwägungen.

„Heiliger Zorn“ erfaßt die Theologen im konkreten Fall auch deshalb, weil die Berufungskommission in ihrem Abschlußbericht ausdrücklich auf die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus der Kandidaten hingewiesen hat.

Konkret: Gerhard Müller, so die Fakultätsvertretung, habe eine „herausragende Habilitationsschrift sowie umfangreiche Publikationen aufzuweisen, während sich bei Professor Eichinger weder eine Habilitation noch entsprechende Veröffentlichungen“ zu Buche schlagen.

Im Wiener Erzbischöflichen Ordinariat ist man über den Streit gar nicht glücklich. Man hat dem Ministerium zwar das nach dem Konkordat erforderliche Placet erteilt, die Berufungsverhandlungen mit dem „zweitgereihten“ und nicht mit dem „Wunschkandidaten“ der Mehrheit der Fakultät aufzunehmen, wünscht sich aber nochmals Gespräche aller Beteiligten.

Selbst Rom hat einer möglichen Berufung von Matthias Eichinger den Sanktus erteilt. Allerdings verbunden mit der Anmerkung, der Kandidat möge in Zukunft etwas mehr publizieren...

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