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Zum Tod von Hans Weigel

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Mit Dankbarkeit und Ehrfurcht verneige ich mich als Verleger angesichts des Todes vor einem großen österreichischen Literaten. Mit Dankbarkeit und Ehrfurcht vor dem schriftstellerischen Werk, vor der rastlosen, kulturkritischen Auseinandersetzung und vor dem unermüdlichen Forschen und der mühevollen Sorge um Österreichs literarischen Nachwuchs. Bei der Nachricht von Hans Weigels Tod fiel mir sein erstes literarisches „Adoptivkind" ein, eines von über hundert: Ilse Aichingerund derTitel ihres ersten Romans,„Die größere Hoffnung".

Die größere Hoffnung für den literarischen, den geistigen, den inneren Haushalt der Österreicher, die hat das Leben Hans Weigels eingelöst. Weigel, das warein Literat und Kulturkritiker, dem es oft erging, man verzeihe mir den Vergleich, wie Johannes XXIII.: Auf ihn beriefen sich alle, die Konservativen und die Progressiven, die Bewahrenden und die Erneuerer und die, die sich unentwegt bis gewissenlos an Österreich ärgerten. Und doch war Hans Weigel in ersterLinie Österreicher. 1988,also rund um den achtzigsten Geburtstag dieses Patrioten, in einer Zeit als vieles von außen in unser Land getragen wurde, wußte Weigel zu bemerken: „Wir sind stark genug, um uns selbst in Frage zu stellen, wir brauchen dazu niemanden, der von weither hier her kommt."

Wir sind dankbar für das Lebenswerk Hans Weigels, das dem Haus Styria erlaubte, viele Werke österreichischer Autoren zu veröffentlichen, wir sind aber auch dankbar für den Styria-Autor Hans Weigel. Hans Weigel und die Styria als katholisches Verlagshaus, das war nicht von vornherein so selbstverständlich. Was daraus wurde, hat Hans Weigel selbst formuliert, als er meinte, er habe viele Verleger gehabt, „aber mit der ,Madame Styria' in Graz habe sich eine gut funktionierende, glückliche Ehe entwickelt. So etwas von nicht füreinander bestimmt, wenn das gut geht, dann muß es schon sehr gut gehen. Und es geht sehr gut".

So hat unser Dank viele Dimensionen und viele, Schichten. Er geht tief hinein in Leben und Erleben.

„In memoriam", einem 1979 erschienenen Styria-Buch, gab uns Weigel 24 Lebensbilder verstorbener Weggefährten, Freunde und Künstler. Weigel nannte dieses Buch „Beinahe-Memoiren" und erläuterte: „Immer noch erzähle ich im Gedenken an meine toten Freunde viel über mich, das war unvermeidlich, aber immerhin bin ich nicht mehr Hauptperson, sondern nur Wand, an der die Schatten vorüberziehen" - eine Wand, die auch noch über den Tod unseres großen Verlagsautors hinaus im Gedenken lange stehen bleiben möge.

Der Autor ist Generaldirektor des Styria Verlages undMitherausgeberder FURCHE,

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