Lech Walesa, 80 - Nicht nur Polen verdankt Solidarność-Gründer Lech Wałęsa, der am 29. September 80 wird, seine demokratische Wiedergeburt. - © APA / AFP / Wojtek Radwanski

Lech Wałęsa zum 80er: Der Elektriker, der den UdSSR-Stecker zog

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Nicht nur Polen verdankt Solidarność-Gründer Lech Wałęsa, der am 29. September 2023 seinen 80. Geburtstag feiert, seine demokratische Wiedergeburt.

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Nicht nur Polen verdankt Solidarność-Gründer Lech Wałęsa, der am 29. September 2023 seinen 80. Geburtstag feiert, seine demokratische Wiedergeburt.

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Als im Sommer 1980 der arbeitslose Gewerkschafter Lech Wałęsa über die Mauer der Danziger Lenin-Werft ins Werksgelände sprang, Solidarność vom Stapel laufen ließ und sich damit in die Nachrichtensendungen in aller Welt katapultierte, waren die Aussprachevarianten seines Nachnamens Legion. So wie Welt und Kirche zwei Jahre davor vom Zungenbrecher Wojtyła und einem Papst aus Polen überrascht wurden, so erwischte Wałęsa „seinen“ Block der zweigeteilten Welt am falschen Fuß – der Rest ist Geschichte, die von den beiden W’s aus Polen maßgeblich mit- und um- und neugeschrieben wurde.

Im Unterschied zu den vielen Lesarten seines Namens beschränkt sich Wałęsas politischer Verdienst auf diese „Sternstunde der Menschheit“, in der ein plötzlich auftauchender Werftelektriker mit Mut, List, Witz und Gottvertrauen das Licht des Sowjetsterns ausschaltete, Polen und die anderen Staaten des Ostblocks an Europas Demokratie-Schaltkreis ansteckte. Freilich, Wałęsa zog der UdSSR nicht allein den Stecker. Viele andere, in Polen, in der DDR, in der Tschechoslowakei, in Ungarn, im Baltikum haben vor und mit ihm für diese Wende gekämpft, gelitten – und gerade auch in Polen – gebetet.

Legende der Wende

Doch von 1980 bis 1990 war Lech Wałęsa der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, an der Streikfront genauso wie am Runden Tisch. Dass er 1983 seine Frau Danuta an seiner statt zur Verleihung des Friedensnobelpreises nach Oslo schickte, weil er fürchtete, bei einer Ausreise nicht wieder nach Polen gelassen zu werden, ehrt ihn besonders. Wałęsa wollte seinen Kopf nicht aus der Schlinge ziehen zu einer Zeit, als niemand ausschließen konnte, dass sich diese Schlinge nicht zuzieht. Wałęsa hat seinen Kopf hingehalten für die Freiheit seiner Landsleute und vieler anderer. Dafür gebührt ihm Respekt und Dank. Das macht ihn zur Legende der Wende.

Die persönliche Wende vom Revolutionär zum Politiker ist Wałęsa weniger gut gelungen. Eine Periode als Staatspräsident des Übergangs reichte, um seinen Solidarność-Kredit aufzubrauchen und trotz zweier Versuche nicht wiedergewählt zu werden. Leider. Polen fehlt eine Integrationsfigur, wie Lech Wałęsa eine hätte sein können. Das zeigt die Zerrissenheit des Landes zwei Wochen vor den nächsten Wahlen, in denen 43 Jahre nach Wałęsas Solidarność-Sprung Polens Demokratie wieder auf der Kippe steht.

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