"Ein Herz wie eine Heimat"

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Der Grazer Bischof Egon Kapellari über das Faszinosum Mariazell.

Die Furche: Gibt es ein "Faszinosum Mariazell", und wenn ja: Was macht dieses für Sie aus?

Bischof Egon Kapellari: Schon viele Wege zu den großen christlichen Heiligtümern Europas, zu denen auch Mariazell 2, sind faszinos. Aber sie sind, im Gegensatz zu einer flachen Autoreklame, nicht das Ziel. Dies gilt auch für Mariazell. Das Ziel ist dort die Kirche als ein geistlicher Rastplatz mit der alten Zelle und dem noch älteren Gnadenbild in ihrer Mitte. All das ist vollgetrunken mit den Gebeten von Millionen kirchlicher Pilger seit Jahrhunderten.

Die Furche: Welche Funktion kann Mariazell für die Kirche heute haben?

Kapellari: Es kann noch mehr eine europäische Adresse werden als ein Ort des Gebetes und dann aber auch als ein Ort für Begegnungen zum Nachdenken über den weiteren Weg der europäischen Christenheit inmitten der Menschheit. Kleine Katholikentage, größere Jugendtreffen sowie Symposien usw. sollte es über das Jubiläumsjahr hinaus im dafür nun noch besser ausgerüsteten Mariazell geben.

Die Furche: Was sagt das Bild der "Magna Mater" heute?

Kapellari: Viele Menschen suchen entsprechend einem Wort der Dichterin Nelly Sachs ein Herz wie eine Heimat. Das Bild Marias mit dem Christuskind als Inbild der Kirche gibt eine geistliche Heimat.

Die Furche: Welche Bedeutung messen Sie der Marienverehrung im Christsein der Gegenwart zu?

Kapellari: Für ein nicht verkopftes Christsein ist Christus kei-ne bloße Abstraktion, sondern ein Du. Und auch seine Mutter ist keine Abstraktion. In den deutschsprachigen Ländern gibt es allerdings bei vielen Christen anscheinend betreffend den Glauben noch keine gute Balance zwischen Hirn und Herz, und darum ist auch der Bezug zu Maria als Mutter Christi und Inbild der Kirche eher schwach.

Die Furche: Kann die Marienverehrung auch für skeptische, der Rationalität verpflichtete Zeitgenossen ein Zugang zum Glauben sein?

Kapellari: "Selig bist du, die zum Glauben gekommen ist", sagt Elisabeth im Evangelium zu Maria. Jedem Skeptiker ist ein Schritt, ein Sprung in den Glauben zugemutet, wie Pascal es in seinen Pensées über die "Wette" gesagt hat. Barbara Stöckl hat darüber im Vorwort zu ihrem neuen, mit Kardinal Schönborn erarbeiteten, Interview-Buch Wer braucht Gott? allgemein Verständliches geschrieben.

Die Furche: Was wünschen Sie sich von Benedikt XVI. in Mariazell?

Kapellari: Der Papst will und wird vor allen anderen Themen auf Christus als Mitte hinzeigen und den Glauben an ihn vertiefen helfen. Das ist unspektakulär, aber radikal. Wer mit flacheren Wurzeln zufrieden ist, wird davon vielleicht enttäuscht sein. Ich erhoffe mir vom Besuch des Papstes jedenfalls viel frische Luft in die Segel des Bootes, des Schiffes Kirche in Österreich.

Die Fragen stellte per E-Mail Otto Friedrich.

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