Kermani - © APA / Herbert Neubauer

Navid Kermani fragt nach Gott: Barmherzig. Und eine Schönheit

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„Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“: Navid Kermanis neues Buch stellt sich den „Fragen nach Gott“ – aufbereitet für eine Zwölfjährige, lesenswert nicht nur für ein religiös unmusikalisches Publikum.

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„Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“: Navid Kermanis neues Buch stellt sich den „Fragen nach Gott“ – aufbereitet für eine Zwölfjährige, lesenswert nicht nur für ein religiös unmusikalisches Publikum.

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Ob der vor zwei Jahren verstorbene Religionswissenschafter und verketzerte Theologe
Adolf Holl und Navid Kermani voneinander gelesen oder sich gar getroffen haben, entzieht sich der Kenntnis des Schreibers dieser Zeilen. Aber es gibt zweifelsohne Gemeinsamkeiten zwischen beiden Autoren vielgelesener Bücher. Zuvorderst ist da zu nennen, „sich die religiösen Sachen zur Hauptbeschäftigung“ (© Adolf Holl) gemacht zu haben.

Auch in der Erkenntnis, dass der Blick auf andere Religion(en) den eigenen Kosmos erweitert, und schließlich, dass die Mystik ein Weg der Religion ist, der allen (politischen) Widrigkeiten zum Trotz bis in die jüngste Moderne Gottesbegegnung möglich macht, kann eine zumindest geistige Verbindung zwischen Holl und Kermani ausgemacht werden.

Adolf Holl aber ist tot und geht als Wider-den-Stachel-Löcker jedenfalls der deutschsprachigen Christenheit schmerzlich ab. Der um 37 Jahre jüngere Kermani kann da schon als deutsch-islamisches Pendant verstanden werden, der sich auf je eigene Weise um „die religiösen Sachen“ auch in seinem Werk müht.

Man erinnert sich an Kermanis Buch „Ungläubiges Staunen“ über das Christentum (2015) und seine Friedenspreisrede aus demselben Jahr, in der Kermani, zur Verstörung der in der Frankfurter Paulskirche versammelten Jubelgemeinde, zum stillen Gebet für die IS-Opfer im Irak und in Syrien aufforderte. Der Grazer Theologe Rainer Bucher lobte Kermanis Ungehörigkeit in der FURCHE als „Ereignis“ und als Paradebeispiel „öffentlicher Theologie“.
Nun hat Kermani, der schiitische Deutsch-Iraner, ein neues Buch über (seine) Religion verfasst. Die – laut Untertitel – „Fragen über Gott“ haben im Nu die Bestsellerlisten gestürmt. Das ist jedenfalls ein Verweis darauf, dass es Kermani geschafft hat, für seine Reflexionen eine breite Öffentlichkeit zu gewinnen.

Kermanis literarische Pädagogik

Das liegt zum einen daran, dass das Thema „Gott“ trotz religiöser Unmusikalität, wie sie der Gesellschaft unterstellt wird, doch Resonanz zeigt. Aber mindestens soviel liegt auch am Zugang und an der literarischen Päd­agogik Kermanis, die es leicht machen, sich auf diese Weise mit Gott zu beschäftigen. Das ist dem Autor anzurechnen, zumal es noch um den Gott islamischer Façon geht, der in den hiesigen Breiten alles andere als eine gute Nachrede hat.
Kermanis Buch ist jedenfalls „didaktisch“ angelegt. Der Autor nimmt einen Auftrag seines Vaters, den dieser auf dem Sterbebett geäußert hat, auf: Er soll der Enkelin, Kermanis zwölfjähriger Tochter also, „den Islam unserer Vorfahren“ lehren, den Opa in Isfahan gelebt und erlebt hatte, bevor er nach Deutschland emigriert war. Und das tut Kermani auf den 240 Seiten des Buches.

Ein doppelt pädagogischer Impetus: Das Wissen über den Islam, das Kermani als studierter Orientalist auch mit vielen Kenntnissen eigener Studien sowie Wissen um und Erfahrung mit islamischer Mystik anreichern kann, verbindet er mit dem deutschen Alltag, aber auch dessen Literatur – angefangen bei Goethe. Egal ob das eine literarische, quasibiografische Fiktion oder ein Bericht aus dem Leben ist: Weil sich der gelehrte Autor auf den Verständnis- und Sprachhorizont einer Zwölfjährigen begibt, zieht er auch sein christliches wie säkulares Publikum in Bann, weil dieses in Bezug auf Gott im Allgemeinen und den Gott der Muslime im Besonderen längst auf solchem Niveau angesprochen werden muss. Das gelingt Kermani auf eine erfrischende und sympathische Weise.

Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, die Fragestellungen, mit denen Kermani die Tochter konfrontiert, wiedergeben. Diese Fragen diskutiert der Autor dann mit der Tochter, woraus sich die nächste Fragestellung ergibt – und so hantelt sich das Buch von einem religiösen Phänomen zum Nächsten.

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