Elektronik hilft, den Verkehr zu steuern

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Die Elektronik bietet vielfältige Möglichkeiten, Verkehrsströme und Fahrzeuge zu steuern. Ein Gespräch über Möglichkeiten und Grenzen der Technik.

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Die Elektronik bietet vielfältige Möglichkeiten, Verkehrsströme und Fahrzeuge zu steuern. Ein Gespräch über Möglichkeiten und Grenzen der Technik.

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dieFurche: Wie ist der Stand der Entwicklung bei Verkehrsleitsystemen?

Klaus Machata: Da gibt es interessante Entwicklungen: Stau- oder Nebelwarnsysteme, Wechselverkehrszeichen, die variabel die Geschwindigkeit begrenzen. Mittlerweile gibt es das auf der Südautobahn. Solche Systeme funktionieren in Deutschland schon recht gut. Sie haben zu weniger Unfällen und zu Schadstoffreduktionen geführt, indem sie helfen, Staubildungen zu vermeiden. Der Verkehrsstrom wird rechtzeitig eingebremst und eine Hauptursache für Unfälle auf Autobahnen, der Auffahrunfall, hintangehalten.

dieFurche: Wie werden diese Systeme gesteuert?

Machata: Da ist eine recht aufwendig Sensorik im Einsatz. Dieser Bereich der Systeme steht derzeit noch in Entwicklung. Es ist gar nicht so einfach, einen Stau elektronisch zu erkennen. An Systemen, die die Flüssigkeit des Verkehrs auf Autobahnen erhalten, hat nicht zuletzt die Fahrzeugindustrie großes Interesse. Hier setzt natürlich auch Kritik an.

dieFurche: Was wird da kritisiert?

Machata: Heute entwickelte Systeme der "travel-assistance", also Systeme, die eine Route oder die Wahl von Verkehrsmitteln vorschlagen, sind zu sehr auto-orientiert. Nach dem Motto: Man setzt sich ins Auto, fragt nach dem Ziel. Und wenn es einmal nicht auf der Autobahn geht, bekommt man den Vorschlag die Schnellbahn zu nehmen.

dieFurche: Wie bewähren sich die Navigationssysteme?

Machata: Technisch sind diese Systeme recht weit gediehen. Was das Kartenmaterial anbelangt (ich muß flächendeckend alle Straßen in digitalen Karten erfassen, möglichst mit Hausnummern in allen Städten), ist die Sache in Österreich noch im Werden. Diese Systeme sind dann imstande, an die konkrete Hausnummer zu fahren. Sie wissen Bescheid über die Einbahn-Situation, erlaubte Abbiege-Möglichkeiten, können auch bei komplizierten Kreuzungen angeben, wo man abbiegen sollte. Das funktioniert ganz gut. Der Mensch-Maschine-Interaktion wurde zunächst nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Bei den ersten Systemen hat die Maschine den Fahrer zu sehr abgelenkt: Man sah etwa Pfeile auf einer Landkarte. Das funktioniert jetzt besser. Die Systeme haben Sprachausgaben. Da sagt etwa eine Damenstimme: Bitte vorne rechts abbiegen ...

dieFurche: Berücksichtigen solche Systeme die Verkehrssituation?

Machata: Das ist noch Zukunftsmusik. Man muß folgendes bedenken: Das Ruhrgebiet ist in etwa flächendeckend mit Autobahnen versorgt. Dort habe ich die Möglichkeit, Routen so zu wählen, daß ich einem Stau auch wirklich ausweichen kann. In Österreich haben wir ein lockeres Autobahnnetz. Gibt es einen Stau auf der Autobahn, kann man auf das niederrangige Straßennetz ableiten. Das geschieht im Bereich der Südautobahn auch immer wieder. Aber dann dauert es eine halbe Stunde und die B 17 ist voll. Und dann steht alles. Mit solchen Leitsystemen werden Hoffnungen geweckt, die man mit unserem Straßennetz nicht erfüllen kann - und soll.

dieFurche: Gibt es besondere Navigationssysteme für Lkw?

Machata: GPS ist ein Satelliten-Navigationssystem. Flottenmanagement ist heutiger Stand der Technik. Die Routen werden mittels "intelligenter" Systeme geplant. Wenn mehrere Punkte anzufahren sind, werden optimierte Routen (was die Länge oder die Zeit anbelangt) vorgeschlagen. Dadurch wird Zeit und Diesel gespart. Außerdem gibt es die Möglichkeit, direkt mit den Fahrzeugen in Kontakt zu treten und konkret ihre Position zu erfassen. Das ist natürlich ein effizientes Kontrollinstrument.

dieFurche: Bieten nicht alle elektronischen Systeme Überwachungsmöglichkeiten - etwa die Mautsysteme?

Machata: Heute ist bei letzteren das Datensicherheitssystem gelöst. Sie funktionieren folgendermaßen: Man führt im Auto eine Art Scheckkarte mit. Sie wird in eine "Blackbox" eingebracht. Diese kommuniziert mit einem Sender und es wird völlig anonym von dieser Scheckkarte abgebucht. Italienische Systeme der ersten Generation funktionierten allerdings nicht anonym. In Österreich muß früher oder später ein Mautsystem kommen, weil die Finanzmittel für die Erhaltung der Autobahnen aufzubringen sind. Der nächste Schritt ist eine elektronische Lkw-Maut. Derzeit werden die Öko-Punkte elektronisch an den Grenzen für den Transitverkehr abgebucht. Natürlich können Lesefehler auftreten. Aber das ist kein wirkliches Argument gegen eine Maut. Sie ist viel gerechter und sinnvoller als die Vignette.

dieFurche: Welche anderen Systeme der Verkehrssteuerung gibt es?

Machata: Es gibt - etwa in Berlin - Leitsysteme, die zum öffentlichen Verkehr dirigieren. Oder Parkleitsysteme. Sie geben an, wie ausgelastet Parkhäuser sind. In Deutschland werden Systeme ausprobiert, die auf der Autobahn anzeigen: Nächste Schnellbahn in zehn Minuten. In manchen holländischen Kommunen bekommen Ansiedler finanzielle Förderungen, wenn sie sich ein System ins Fahrzeug einbauen lassen, das eine Geschwindigkeitsregelung von außen ermöglicht. Fährt der Anlieger in eine Tempo-30-Zone ein, kann sein Wagen nicht mehr schneller als 30 km/h fahren.Weiters gibt es Systeme, die vor bestimmten Behinderungen warnen, etwa vor Nebel. An gefährdeten Stellen konnten durch solche Warnsysteme schon Unfälle verringert werden. In Skandinavien habe ich an Wildwechselstellen elektronische Elch-Warn-Systeme gesehen. Auch Eiswarn-Systeme sind im Gespräch. Immer stellt sich allerdings die Frage: Wieviel Verantwortung überlasse ich dem Fahrer? Das führt auch zur Frage der Haftung: Zeigt das Glatteis-System nicht an, obwohl es vielleicht 50 Meter weiter Glatteis gibt, hat dann der Lenker, der einen Unfall hat, einen Schadenersatz gegenüber dem Errichter des Systems?

dieFurche: Wird man mit diesen Systemen die Motorisierung bewältigen?

Machata: Es wird mit solchen Systemen da und dort positive Erfolge geben. Blauäugig aber sollte man diesen Ansätzen nicht nachlaufen und von ihr die Lösung aller Probleme erwarten. Sie liegen eher im Bereich von Verkehrsvermeidung und -verlagerung.

Dipl. Ing Klaus Machata ist im Kuratorium für Verkehrssicherheit zuständig für Fragen der Verkehrstechnik und Unfallstatistik. Mit ihm sprach Christof Gaspari.

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