Kurt Gödel und Albert Einstein - Am „Institute for Advanced Study“ im US-amerikanischen Princeton pflegten Kurt Gödel und Albert Einstein eine ungewöhnliche Freundschaft. - © Emilio Segre Visual Archives / Science Photo Library / picturedesk

Relativ einflussreich

19451960198020002020

Albert Einsteins Relativitätstheorie wurde vor 100 Jahren bestätigt. Vor 70 Jahren fand Kurt Gödel darin eine seltsame Art von Universum. Ein Anlass, das Erbe des großen Wiener Logikers zu beleuchten.

19451960198020002020

Albert Einsteins Relativitätstheorie wurde vor 100 Jahren bestätigt. Vor 70 Jahren fand Kurt Gödel darin eine seltsame Art von Universum. Ein Anlass, das Erbe des großen Wiener Logikers zu beleuchten.

Werbung
Werbung
Werbung

Ihr reger Austausch galt als größte intellektuelle Freundschaft seit Platon und Sokrates: Trotz des beträchtlichen Altersunterschieds hatten sich Albert Einstein und Kurt Gödel am „Institute for Advanced Study“ im amerikanischen Princeton viel zu sagen. „Warum wohl Einstein an den Gesprächen mit mir Gefallen fand?“, fragte sich der österreichische Mathematiker in einem Brief an seine Mutter. Eine der Ursachen vermutete Gödel darin, dass er „häufig der entgegengesetzten Ansicht war und kein Hehl daraus machte.“ Einstein wiederum scherzte gern, dass er nur deshalb ans US-Institut käme, um das Privileg zu genießen, Gödel auf dem Heimweg begleiten zu dürfen.

Auch der heute 95-jährige Physiker Freeman Dyson forschte damals in Princeton. „Gödel war der Einzige von uns, der mit Einstein auf Augenhöhe verkehrte“, erinnert er sich. „Gödel hat wenig geschrieben, aber was er geschrieben hat, war immer epochal“, sagt der Wiener Mathematik-Professor Karl Sigmund, Autor eines viel beachteten Sachbuchs über den Wiener Kreis, im Gespräch mit der FURCHE.

„Gödels Universum“

Kurt Gödel war der große Logiker aus dem Umfeld des Wiener Kreises, eines in den 1920er- und 1930er-Jahren höchst produktiven Zirkels an der Schnittstelle von Philosophie und Naturwissenschaft. Nach dem Kriegsausbruch 1939 hatte es Gödel doch noch geschafft, ein Einreisevisum in die USA zu ergattern. Dort fand das stille Genie die besten Rahmenbedingungen, um sich mit Einsteins Theorie auseinanderzusetzen. 1949 konnte er beweisen, dass die allgemeine Relativitätstheorie eine seltsame Art von Universum möglich erscheinen lässt – eines, in dem Zeitreisen ganz konkret denkbar sind.

Gödel hatte eine Klasse von Lösungen der Feldgleichungen von Einsteins Theorie entdeckt. Daraus ergab sich die grundsätzliche Möglichkeit rotierender Universen. Unter bestimmten Voraussetzungen, so der berühmte Mathematiker, ist ein Universum mit geschlossenen „Weltlinien“ (in Raum und Zeit) möglich. Darin hat die Zeit eine kreisförmige Struktur und ein materielles Objekt könnte irgendwann nahtlos in seine eigene Vergangenheit zurückkehren. „Gödels Universum“ ist somit paradox bezüglich der kausalen Abfolge von Ursache und Wirkung: Könnte doch ein Zeitreisender mit einem jüngeren Selbst zusammentreffen und, wie Gödel schnippisch bemerkte, „dieser Person irgendetwas antun“. Nicht nur Science-Fiction-Autoren sind von dieser Idee fasziniert. Seit Gödels imposanter Entdeckung gibt es immer wieder wissenschaftliche Ansätze für Raumzeit-Konzepte, gemäß denen sich Menschen zeitlich rückwärts bewegen können. Vor zwei Jahren etwa haben der Mathematiker Ben Tippett und der Astrophysiker David Tsang im Fachjournal Classical and Quantum Gravity ein Modell vorgestellt, in dem Passagiere in einer kleinen Box entlang eines Kreises durch Raum und Zeit reisen – hin zu ihrer eigenen Vergangenheit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung