Im Akademietheater rollt, im hohen Januar und auf dem Höhepunkt der Faschingszeit, die „S e p t e m b e r f 1 u t“ von Daphne du Maurier über die Bühne. Arfs mehrfachen Gründen denkt man bei dieser Aufführung an den jCarneval: die Autorin laßt ihre fünf Personen in Ichematisch-flächenhaften Rollen über die Bühne tanzen, nach wenigen Minuten weiß man Anfang und Ende des Stücks. Eine reife Frau scheint sich mit ihrem Schwiegersohn im Wirbel der Gefühle tu verlieren, am Morgen nach der Flut findet jedoch alles schnell in die alte Ordnung zurück. Carnevale: Entsagung, Verzicht,
„Das Theater am Parkring" eröffnet seine neue Spielzeit mit dem Schwank Katajews „Ein Strich geht durchs Zimmer". Diese Komödie hat bekanntlich unter anderem Namen bereits vor Jahrzehnten das Lachen der ganzen Welt gewonnen, und sie gewinnt es heute wieder, zumal ihr Stoff bereits historisch anmutet. Misere und Glück von vier jungen Menschen in einer Dachmansarde in Moskau, in den ersten Jahren des sowjetischen Regimes. Das Publikum, sichtlich unter dem Druck von Gegenwartsperspektiven, erfährt staunend, wieviel Humor, und eine breite strahlende Menschlichkeit, mitten in der Enge
Der Allgemeine österreichiche Katholikentag 1952 brachte Wien drei Premieren, die, so unterschiedlich sie sein mögen, verdienen, festgehalten zu werden. Sie dürfen symbolisch stehen für drei Wege der Christenheit durch diese Zeit.Das „Neue Theater im Esterhazy, palais“, unter der Leitung von Hans Kugel- gruber, unternimmt ein kühnes Wagnis: eine christlich inspirierte Kleinbühne, die nur hochqualifizierte Stücke mit einer christlichen Tiefendimension spielen will. Es ist leicht, über die Verwegenheit dieses Vorhabens zu lächeln, zumal nach all dem, was Wien in den letzten Jahren
Im großen Saalraum des Ronachers spielt, al6 Geleit in den Sommer, das Burgtheater ein englisches Kammerepiel, .Wegen der Leute“, on Noel Co- ward Das angestrengt hinhörende Ohr ernimmt au6 dem klugen und sehr diskreten Munde de6 Butlers Theo Lingen, daß über dem Herrenhaus der Lady Marshwood eine dunkle Wolke hängt. Der erste Sohn de6 Hauses droht eine angoamerikanische Filmdi a zu heiraten. Dies zu erhindern, erbünden sich Lady und Zofe, Hausfreunde und Butler, wobei ihnen schelmisch Assistenz geleistet wird durch die Di a, ihren Geliebten und den Autor. — Diese Nichtigkeit glänzt
Da Volkstheater hat ßidi an eine Neuaulführung der „Dreigro6cihen- oper von Bert Brecht und Kurt W e i 11 gewagt. Wie 6ehr die ein Wagnis ist, zeigt die Aufführung in mehr als einer Hinsicht. Die Wiener Atmosphäre von 1952 besitzt weder die geistigen noch die sozial-gesell- 6 haftlidien Hintergründe, die dieses Werk auf anderem Hintergründe zum aufwühlenden Erlebnis werden ließen. Die fe6te Basis der BetÜeroper des John Gay ist: ein calvinisdi- puritanisches England, das 6eine alte religiös- politische Ordnung zerschlagen hat und nun in vollem Aufstand gegen den „schönen
Eine faszinierende Aufführung im Burgtheater: G. Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“, in der Regie Emst Lothars. Die Verfilmung, dann die „Neu-“ und Umarbeitung dieses Stücks im Dritten Reich, war kein Zufall: es handelt sich hier um ein Schlüsselstück, das die deutsche Gesellschaft zwischen Bismardc und 1914 rechtfertigt, richtet und aus den Angeln hebt. Grenze, viele Grenzen, eine gewisse Tragik und eine gewisse Größe. Dieses Drama steht für alle jene nicht- geschriebene Dramen, die um das Schicksal der großen Gründer, Unternehmer, Forscher und Gelehrten jener Epoche weben. —
Die letzte große Premiere des Burgtheaters hat uns eine problematische Neubearbeitung des problematischen Trauerspiels Shakespeares, seines „Othello“, beschert. Berthold Viertel mag dies selbst empfunden haben, da er in seinem klugen Vorwort, das dem Programmheft beigegeben ist, mit Recht sagt: „Die Bühne vermag diesen Reichtum (wir fügen ein: an Fragen und Fragwürdigem) immer nur in beschränktem Maße zu bergen. Sie unterliegt dem Zwang … aus dieser Fülle ein wirksames und auffaßbares Theaterstück zu schneiden, eine Handlung, die sich darstellen läßt; wobei das Gelingen
Die Weihnachtspremiere der Josefstadt ist dem Meister der .leichten" und leichtesten Unterhaltung gewidmet. Leopold Rudolf inszeniert Sacha G u i t r y s „ V e r r ü c k t". Guitry, dessen Gewohnheit, Stücke für sich selbst (als Autor, Theaterdirektor, Finanzier und Schauspieler) zu schreiben, bekannt ist, hat hier zwei .Rollen' geschaffen, die von Anton Edt- hofer und Lotte Lang diskret und indiskret hervorragend gespielt werden. Vom Inhalt xu sprechen, erübrigt sich.Prachtvolle Weihnachtspremiere im Aka- demietheaterl Nestroy und sich selbst zu ehren, bat man aus Deutschland Axel von
Im Rahmen eines Festaktes im Schön-brunner Schloßtheater fand die erstmalige Verleihung der österreichischen Staatspreise für Theaterdirektoren statt. Der wohlbegründete Zweck dieser Stiftung ist die Förderung österreichischer Dramatiker: die Theaterdirektoren sollen ermutigt,,und angeeifert werden, nicht nur ausländische Autoren auf ihre Bühnen zu bringen. Ein ungemein lobenswertes Unternehmen, hoffen wir, daß ihm Erfolg beschieden ist, in der Spielplangestaltung dieses Jahres. — Den ersten Preis erhielt der Direktor der Grazer Kammerspiele für die Uraufführung der Komödie
Die erete Neuinszenierung des Burgtheaters in dieser Sai6on ist die prachtvoll geglückte, von Ernst Lothar mit Sorgfalt, Energie und hoher Einfühlung bearbeitete Aufführung von Grillparzers „Ein treuer Diener seines Herrn“. — Modern im besten Sinne, gegenwartsnah, österreichisch; Grillparzer offenbart hier einen Reichtum des Wissens um die seelische Struktur des Menschen, der Weininger, Freud, C. G. Jung vorwegnimmt, an Geschlossenheit und Plastizität der Schau oft überholt — man sehe dieses in seiner Bruderliebe zerbrechende Weib, die Regentin, über die Bühne taumeln,
Die Josefstadt eröffnet ihre Wintersaison mit Hugo von Hofmannsthal. Wer auch fügt sich besser als er in den kultivierten Raum dieses Theaters? So hat man ein Stück im Kammerton gewählt, nah dem Schwebenden, Heiter-Schmerzlichen, das sich in der Musik viel leichter aussingt, als im Worte, um Aussage ringend... „C r i-ystinas Heimreise“ war nun bekanntlich zuerst als Libretto für Richard Strauß gedacht. Dieser erhielt dann, als Entgelt, den „Rosenkavalier“, wir erhalten Cristina. — Venedig, sein Rokoko, galantes Spiel, Träumerei um ein junges Mädchen vom Lande, das hier dem
Die Akten über den Prozeß in den Kammerspielen sind bereits geschlossen. Wohl selten hat ein Engel oder Teufel eine so einmütige Ablehnung gefunden wie hier „Der Engel von Montparnasse“, diese verunglückte Komödie Jean Gilten e's. Eä ist nicht nur das Sujet: vier trostlose Beamte des himmlischen Justizministeriums entscheiden über die Rückverweisung der kleinen Yvette Malnar auf die Erde, wo sie in einem zweiten Leben ihre sogenannte bessere Seite entwickeln soll; als displaced per-son, als DP des Himmels auf der Erde, fällt sie dann einem der mißlichen himmlischen Sekretäre in
Das ist also Brecht in Wien. Sein Ensemble spielt das Drama des unglücklichen Lenz „Der Hofmeister“ in der Scala. Nichts fremder dem Wiener Publikum, der Wiener Atmosphäre, als das Milieu dieses Stückes, als dieses Theater. Schon deshalb sehenswert für uns: angesichts des Drill, des Exerzierreglements, aber auch der echten inneren Durchformung dieser Schauspieler aus dem Geist eines mächtigen, unerbittlichen Gesetzgebers, laufen unsere Schauspieler über die Wiener Bühne wie verirrte Schafe.Der Augsburger Pastorensohn Brecht verabscheut, fürchtet und klebt an dem Gesetz. Es ist das
Wiens Theatersaison beginnt Der Zauber Salzburgs, den Wienern fern, zu teuer, kehrt in die große Stadt: Gielens Festspielinszenierung von Shakespeares „Was Ihr wollt“ läßt sich im Ronacher-gebäude nieder. Alt und jung werden sie hier besehen, und des Zustroms wird kein Ende sein — so viel Glanz und Schimmer und Heiterkeit liegt auf dieser Aufführung, des dunklen Abgesanges nicht zu vergessen, der das Scherzspiel erst zum Klingen, zum Nachtönen bringt wie der jähe Stoß an den Rand des übervollen Glases. Kein einziger Mißklang, kein Mißton, drei Stunden schwereloser Scherz. Das
Das „Staatstheater der Deutschen Demokratischen Republik“, ehedem Max Reinhardts Deutsches Theater in Berlin, gastiert mit einem Schauspiel des Polen Leon Kruczowski, das unter dem Titel „Die Deutschen“ in Warschau, unter dem Titel „Die Sonnenirucks“ in Berlin am selben Tage erstaufgeführt wurde, in der Scala. Das Theater ist also wieder Staatsaktion in der geschlossenen sakralpolitisohen Hemisphäre des Ostens, Staatsaktion, wie hier zuletzt im Bfuock: es hat die Taten Und Leiden seiner Helden und Heiligen in ansprechenden und pnziehenden Bildern darzustellen und zu feiern. So