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Unsterblicher Nestroy

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Die Weihnachtspremiere der Josefstadt ist dem Meister der .leichten" und leichtesten Unterhaltung gewidmet. Leopold Rudolf inszeniert Sacha G u i t r y s „ V e r r ü c k t". Guitry, dessen Gewohnheit, Stücke für sich selbst (als Autor, Theaterdirektor, Finanzier und Schauspieler) zu schreiben, bekannt ist, hat hier zwei .Rollen' geschaffen, die von Anton Edt- hofer und Lotte Lang diskret und indiskret hervorragend gespielt werden. Vom Inhalt xu sprechen, erübrigt sich.

Prachtvolle Weihnachtspremiere im Aka- demietheaterl Nestroy und sich selbst zu ehren, bat man aus Deutschland Axel von Ambesser herbeigerufen, hat also nicht den Verdacht gescheut, daß Österreich heute seinen Nestroy nicht mehr selbst inszenieren kann. Wie gut man mit diesem Mut fährt, davon soll sich jeder selbst überzeugen. .Der Färber und sein Zwillingsbruder" (Einrichtung und Musik von Steinbrecher, neue Liedtexte von Weigel) ist nicht nur Vollbluttheater, lebendig, amüsant vom ersten bis zum letzten Atemzug auf der Bühne, sondern dringt ein m eine innere Dimension, die Nestroys Menschlichkeit frei von Miselsucht und Gicht der Skepsis zeigt. Die Persiflage des .Helden", des Militarismus, der Ruhmsüchtigkeit ist so gelungen, daß man diese Auffüh-

rung der UNO, insonderheit ihrer Abrüstungskonferenz, als Festtagsgabe Österreichs präsentieren könnte. Wie alt, wie reif muß aber der Mensch erst werden, wie’ oft geschlagen von allen Wettern der Welt, bis er diese Weisheit, Güte und Liebenswürdigkeit wagtl — Diese Aufführung ist mit einer Sorgfalt betreut, die zu denken gibt. Was ließe sich aus unseren österreichischen Klassikern herausholen, an geborgenen und verborgenen Werten, sähen wir öfter so sauber-kluge, das Kleinste überlegende Theaterarbeit. Kabinettstücke sind die einzeihen Rollen, oft springen sie quidcsdinell aus einer Porzellansammlung des Biedermeier heraus. Fast alle „Personen“ wären einzeln zu nennen. Josef Meinrad, in der Doppelrolle, und Gusti Wolf führen den Reigen an. — Eine Nach-Frage: Muß bei den „modernen Extempores die nunmehr seit 1945 statisch-starre Witzfolge kanonisiert werden? So daß jedes Kind schon weiß, zuerst kommt die „Wirtschaft“ dran, dann die „Regierung" dann die „Großen oder kleinen Vier“ — Nestroy hat, in einer solchen Aufführung, das nicht nötig, und das Publikum besteht nicht darauf, zum tausendstenmal zu hören, was es selbst nicht ändern kann.

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