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Komödien im Herbstwind

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„Das Theater am Parkring" eröffnet seine neue Spielzeit mit dem Schwank Katajews „Ein Strich geht durchs Zimmer". Diese Komödie hat bekanntlich unter anderem Namen bereits vor Jahrzehnten das Lachen der ganzen Welt gewonnen, und sie gewinnt es heute wieder, zumal ihr Stoff bereits historisch anmutet. Misere und Glück von vier jungen Menschen in einer Dachmansarde in Moskau, in den ersten Jahren des sowjetischen Regimes. Das Publikum, sichtlich unter dem Druck von Gegenwartsperspektiven, erfährt staunend, wieviel Humor, und eine breite strahlende Menschlichkeit, mitten in der Enge schwierigster Verhältnisse sich ihr Daseinsrecht erkämpfen können. Die sehr beschwingte Aufführung, unter der Regie von Herbert Fuchs, entgleitet bisweilen in die Sphäre eines Studentenulks, sie hält die dem Stück eigene Komik nicht ganz durch; trotz allem, sie paßt ausgezeichnet in den Rahmen dieses Theaters, das sehr klug und bewußt seine Wege geht.

In den Kammerspielen gastiert die Josefstadt mit einer Komödie John van Drutens, der vor zwei Jahren mit dem „Lied der Taube" sich in Wien vorgestellt hatte. Seine „Geliebte Hexe" wird zur Gänze dort goutiert werden, wo in Salon und Gesellschaft jene Auflösung von Geist in Spiritismus, Glaube in Aberglaube, Kult in Gesellschaftsspiel so weit Fortschritte gemacht hat, daß der Zauber und die Magie der Liebe sich zum charmanten Spiel auflösen und verflüchtigen. Der

„Charme“ der Frau: wer denkt bei uns noch daran, daß sein Grundwort eben jenen echten Zauber ansagt, der im incantare, im Besingen, bannende furchtbare Kraft entfaltet? Das Mädchen Gill ist also die späte Erbin Isoldens, sie hat auch etwas von der schillernden Leuchtkraft einer modernen „Hexe" wie die Heldin von Frys „Lady is not for burning". Einige Sätze über den Zusammenhang von Magie, Technik, Sexus und Liebesunfähigkeit lassen aufhorchen. Ursula Schult, Adrienne Geßner entfalten echten Charme in den ihnen zugeteilten Rollen.

Eine Revolution auf der Bühne war einst in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts Shaws Kampfstück „Frau Warrens Gewerbe". Frisch und prächtig stellte es sich in jene dreihundertjährige englische Tradition einer Dichtung und Literatur, die den Kampf gegen den „Cant", gegen die Heuchelei einer „guten Gesellschaft“ auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Von Swift und Mandewille über die Brontes und Dickens fehlte es hier niemals an „Gesellschaftskritik". Kritik also einer zeitgenössischen Gesellschaft! Wo aber sind heute die Lords und die „Damen", die mit und um Frau Warren hier die Bühne bevölkern? Verblichen sind sie wie die ganze Epoche Eduards VII. Wenn eine Reprise heute dennoch Wirkung zu erzielen vermag, wie die des Volkstheaters, dann dankt sie dies der Aufführung. Dagny Servaes als Frau Warren verabschiedet sich hier von dem Haus, das ihr viele schöne Abende verdankt.

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