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Grazer Theater: Ausklang mit Festspielen

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Die schöne Tradition, im Rahmen der Festspiele die Uraufführung eines österreichischen Autors zu bringen, pflegte man heuer nicht mehr. Dafür gab man knapp vorher zum erstenmal das Stüde eines alten Grazer .Hausdichters, der vor Jahrzehnten, wie es im Programm hieß, das geistige Profil der Stadt mitgeformt hatte. Eduard Hoffers 1923 geschriebenes Schauspiel „Führer war gut inszeniert und vorzüglich gespielt und verblüffte durch theatralische Effekte Bei näherem Hinsehen erkannte man aber ein merkwürdiges Konglomerat von nachklassischer Sprache, expressionistischem Mystizismus und gegenwärtigem Pessimismus. Am gleichen Abend brachte man noch eine etwas zerdehnte Aufführung von Shaws „Schlachtenlenker , während im kleinen Haus mit „Pygmalion“ ein letzter Publikumserfolg errungen wurde und man mit Hermann Bahrs „Kindern einen — Gott sei Dank — schon in seiner Unechtheit erkannten „oberösterreichischen Vitalismus“ neu zu beleben versuchte.

Die Festspiele selbst wurden im theatralischen Sektor mit zwei Opernaufführungen auf der Schloßbergfreilichtbühne, „Fidelio und „Salome , würdig eröffnet. Das Burg- Iheater gastierte mit Christopher Frys „Schlaf der Gefangenen . Warum man das für ein Kircheninneres geschriebene Werk unter dem Sternenhimmel des Landhaushofes ausführte, bleibt unbegreiflich. Schade, daß wohl durch die schwache Übersetzung der gebührende Publikumserfolg des Stückes und hiemit seine notwendige Wirkung ausblieb. Denn es zeigte sich, daß die Tiefe und strahlende Schönheit des Werkes fast nur denen zu vollem Erlebnis wurden, die das Stück kannten. Oder ist es bei Christopher Fry überhaupt 60, daß wir immer erst den Schlüssel finden müssen, der uns die geheime und doch so wirkliche Welt seiner Werke eröffnet, uns mitfreuen läßt an seinem jungen, tiefgläubigen Optimismus, den er unserer lichthungrigen Zeit als erster ihrer Dichter geschenkt hat? Sein „Gott sei Dank leben wir in dieser Zeit — noch dazu von Baiser überzeugend gesprochen — muß aber jedem die frohe Botschaft verkündet haben, daß in einer Zeit, in der das Bgse nicht abläßt, sich zu erheben, das Gute nicht mehr schlafen gehen kann, bis es besteht. Denn „das Gute hat keine Angst . Ein mutiges, realistisches Stück, das in unserer Zeit steht, und von je degi verkannt wird, der es Mysterienspiel im historischen Sinne nennt, auch wenn er damit dem Werk ein gutes Attribut zu geben vermeint. Rotte Inszenierung war eindrucksvoll und sauber, hauptsächlich auf Lichtwirkung und requisitenloses Spiel gestellt, nur die an sich schönen A-capella-Chöre zwischen den einzelnen Träumen paßten nicht ganz in diie lebensnahe Atmosphäre (denn es waren Träume, keine Visionen — und schreckliche Träume haben keine musikalische Umrahmung).

Als Schauspiel am Schloßberg gab man Gernot Schöppels „Andreas Baum- k i r c h e r , der als Grazer „Nationalstück nun alljährlich gegeben werden soll. Das gut gebaute, packende Drama ist für die Freilichtbühne geschrieben, die auch die Regie Leon Epps gut ausnützte. Die Verherrlichung eines Condottieriführers bleibt allerdings heutzutage höchst problematisch und die allzu dick aufgetragenen Zeitparallelen, die zuletzt geradezu in den tendenziösen Ruf zur Wiederaufstellung eines Heeres ausklingen, verstimmten.

Einen Höhepunkt der Festtage bedeuteten die Gastspiele des Laibacher Balletts, „Der Teufel im Dorf und „Danina“, die nicht nur die vorzügliche Begabung der Slawen für die diesen Kunstsektor, sondern auch den Erfolg wirklich präziser Arbeit und Gewissenhaftigkeit bewiesen.

Im märchenhaften Rahmen des Burgtheaters spielte man auch heuer wieder den „Somme r n a c h t st ra um“, der kaum anderswo schöner geträumt werden könnte, während man nach der Aufführung von Zuckmayers „Katharina Knie in gleicher Umgebung nicht umhin konnte, sich nach der Ursache der Platzwahl zu fragen. Die intimen Szenen, die die Stärke des Stückes ausmachen, gingen im Freien verloren, auch vermißte man in der Aufführung die Frische des Zirkuslebens, die doch vom Stück her gegeben ist. Wie viele Werke unserer Literatur gäbe es doch, die auf diesem von der Natur so begünstigten Platz nicht nur Erfolg, sondern Erlebnis hätten werden können!

Noch immer sind die Grazer Festspiele ein abwechslungsreiches Potpourri. Was könnten sie sein, wenn sie sich auf ein Gebiet spezialisierten, dem alle Pflege und Sorgfalt zuteil würde. Wirklicher Höhepunkt des Jahres, nicht Repräsentation, sondern Feier. Es täte tms not!

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