Vor kurzem starb in Paris, 86jäh- rig, die aus Wien gebürtige Malerin Gertrud Zuckerkandl-Stekel. In der Festwochen-Ausstellung 1980 „Die uns verließen" war sie unter den Künstlern, die lediglich mit einer biographischen Notiz im Katalog vertreten waren, den gerade beschlossenen Ankauf von zwei Gemälden erlebte sie nicht mehr.Gertrud Zuckerkandl-Stekel war die Tochter des Psychoanalytikers Wilhelm Stekel und hatte ihre künstlerische Begabung bei Tina Blau und an der Wiener Kunstge- werbeschule ausgebüdet. 1919 heiratete sie den späteren Biochemiker und Philosophen Fritz
Pablo Picassos 90. Geburtstag wurde in aller Welt gefeiert. Im selben Jahr - 1971 - erklärte der damalige französische Präsident Georges Pompidou: „Ich bin bereit, die Gründung eines Picasso-Museums in Frankreich zu unterstützen, doch womit soll es gefüllt werden? Ich erwarte Beiträge von großzügigen Spendern..Den Franzosen, die der Meinung waren, daß Picasso Frankreich viel verdanke, brannte dieses Problem sozusagen unter den Nägeln. Als der Künstler 1970 dem 1963 eröffneten, nach ihm benannten Museum in Barcelona den Hauptteil der vor seiner Niederlassung in Frankreich
Von den Kästen der Bouquinisten am Quai de Conti beiderseits des Pont des Arts sind es nur wenige Schritte über die Straße zum Hotel de la Monnaie. Hinter der langen Fassade mit dem Arkaden- und Säulenvorbau liegen ein sehenswerter ovaler Innenhof und ein Museum, wo manche prächtige Ausstellung stattfand, gegenwärtig kommt Paris hierher auf der „Wallfahrt zu Watteau“, bis 31. Oktober bei freiem Eintritt. „Die zahlreichen Gemälde, Zeichnungen und Gravüren, Gebrauchs- und Dekorationsobjekte, Kostüme und Modeartikel sind keineswegs Watteaus Werk, außer vier authentischen
Das Musėe de Cluny im Saint-Germain-des-Pres-Viertel zeigt sechs Monate lang in einer Sonderausstellung die Spitzenstücke einer nicht nur für Paris bedeutsamen archäologischen Entdeckung. In 50 Zentimeter Tiefe unter dem Keller eines ehemaligen Pariser Privatpalais, in dem heute die französische Bank für Außenhandel installiert ist, grub man bei Erweiterungsarbeiten zufällig 364 Teilstücke von Steinskulpturen aus, die fast ausnahmslos als Fragmente des ehemaligen Fassadenschmucks der Kirche Notre-Dame identifiziert wurden. Wahrhaft sensationell ist nicht nur das, wenn auch bruchstückhafte, Wiederauftauchen der während der französischen Revolution abgeschlagenen und seitdem für immer verloren geglaubten Figuren. Für die Paris-Historiker ist nun die Neuschreibung der Geschichte der berühmten Pariser Kathedrale fällig.
Paul Klee ist für die meisten kunstinteressierten Franzosen eine späte Entdeckung. Erst auf der Pariser Bauhaus-Retrospektive im Frühjahr 1969 erkannte man in ihm und Kandinsky die vielseitigsten, schöpferischsten Meister, „die zwei Leuchttürme“ des Weimarer und Dessauer Instituts. Als wenige Monate später im gleichen Museum — dem Musée National d’art moderne — Klee mit einer eigenen Werkschau von 200 Arbeiten gefeiert wurde, mußte man sich hier endlich mit seiner Bedeutung ab- finden und einigen als künstlerische Erneuerer viel gepriesenen französischen Künstlern der vornehmlich vom Pariser Kunsthandel „entdeckten“ Ecole de Paris ihren Vorläufernimbus absprechen.
Mit den Berichten über den Raubdruck von Alexander Solschenizyns jüngstem Roman „August 1914“ ist der Name eines Pariser Verlages durch die Presse gegangen, der selbst in Paris nur unmittelbar Interessierten bekannt ist: die YMCA-Press. — Von den zahlreichen russischen Emigrationsverlagen, die in den zwanziger Jahren vor allem in Berlin, Paris, London und New York gegründet wurden, ist kaum einer übriggeblieben. Ihre eigentümliche Velagsgeschichte erklärt, warum die 1921 in Prag gegründete YMCA-Press überleben und kürzlich ihr 50jähriges Bestehen feiern konnte.
Zu Georges Rouaults 100. Geburtstag (am 27. Mai) wurde im Pariser Musée National d’Art Moderne eine große Gedächtnisausstellung eröffnet, die als plastisches Gegenstück zu der verbalen, apotheosegleichen Huldigung der französischen katholischen Intellektuellen vor 20 Jahren verstanden werden kann. Nicht nur sind mehr als 70 der wichtigsten Werke Rouaults aus europäischen und amerikanischen Museen und Privatsammlungen vereint, sondern ebensoviel „unfertige“ Bilder aus den Magazinen des Museums, die auf Wunsch der Familie Rouault nicht im Katalog abgebildet sind. Thematisch bieten diese 72 Werke keine neuen Eindrücke, lediglich als Beispiel für Rouaults gewissenhafte Arbeitsweise sind sie aufschlußreich. Eine dritte Gruppe bilden 200 Gravüren.
Pausenlos wird von dem kürzlich renovierten Pariser Grand Palais Gebrauch gemacht: kaum waren die Bilder der Chagall-Retrospektive abgehängt, begann man schon mit dem Aufhängen der Matisse-Gemälde, die für Frankreichs um ein Jahr verspätete Hommage zum 100. Geburtstag des Künstlers in zweijährigen Bemühungen aus allen Himmelsrichtungen zusammengetragen wurden.
Als die Wienerin Bertha Zuckerkandl-Szeps 1938 in Paris ihr Flüchtlingsgepäck öffnet, fällt ihr ihr Telephonbuch mit seinen zahllosen Namen und Eintragungen entgegen. Arthur Schnitzler hatte ihr einst geraten, alles zu registrieren: „Gerade Sie als Frau begreifen näher und intimer, aus welchen Elementen eine Epoche geworden ist, die im Rückblick gewiß als einheitliches und bedeutendes Ganzes zu erkennen sein wird.“ Erst in Algier, wohin Bertha Zuckerkandl-Szeps aus dem besetzten Paris geflohen war, entschließt sie sich, ihrem Enkel Emil auf dessen Drängen ihre Erinnerungen an Österreich, an Maler, Schriftsteller, Musiker, Wissenschaftler und Politiker zu diktieren, die in ihrer Döblinger Villa und ihrem Salon in der Oppol-zergasse ihre Gäste und Gesprächspartner waren.
Paul Klees dreißigster Todestag war für das Pariser Musee d'Art Moderne der Anlaß zu einer Retrospektive, von der sich alle Klee-Bewunderer eine wesentliche Ausweitung ihres Kreises erhoffen. Die Bauhaus-Ausstellung zu Beginn des vergangenen Jahres hatte das Terrain präpariert. Eine beachtliche Anzahl von Besuchern hat inzwischen die Klee-Ausstellung gesehen — und doch: Den Franzosen fällt es offensichtlich schwer, sich in Klees verzaubertem Universum wohlzufühlen, ja schon der Zugang scheint nur wenigen zu gelingen. Als der „in unserem Jahrhundert bedeutendste Künstler des Humors
Zum zweihundertsten Geburtstag seines kaum jemals ernsthaft angegriffenen Nationalidols sparte der französische Staat nicht mit Millionen, geizten Politiker, Journalisten und Schriftsteller nicht mit Worten, Rundfunk und Fernsehen nicht mit der Zeit. Napoleons Bild schmückte im Sommer Schaufenster, hob den Verkauf von Geschenkartikeln, lockte mehr Touristen als üblich nach Korsika und stärkte das Selbstgefühl jener Franzosen, die sich vom französischen Glorieverlust vorübergehend hatten deprimieren lassen. Als am 15. August Präsident Pompidou in Ajaccio den Korden als Förderer eines liberalen europäischen Einheitsgedankens, als den Einer und Versöhner Frankreichs zwar maßvoll, aber entschieden feierte, stand mehr als ein Drittel der französischen Nation hinter ihm und pflichtete ihm im Geiste bei. Frankreich hat kein Interesse daran, die Verdienste Napoleons zu schmälern, der jenen Begriff vor der „Grande nation“ geprägt haben will, den man so liebevoll und hartnäckig hat schelt Napoleon steht am Anfang von Frankreichs Aufstieg zur Superiorität — mit Mittelmäßigkeit durfte und wollte es sich seitdem nicht zufriedengeben. Für de Gaulle war dieses nationale Groß-sein-Wollen jahrzehntelang der zuverlässigste Stützpunkt, das natürlichste Alibi seiner Politik. Sein im April zugesagter Besuch auf Korsika und seine Gedenkrede hätten die Menge zweifellos zu anderen Beifallskaskaden verleitet als Pompidous sachlich analysierende Ansprache es vermochte, in der klipp und klar gesagt wurde, daß Frankreich heute nicht mehr nach der Herrschaft über Europa und die Welt verlangen könne.
Insgesamt 52 Nationen nahmen an der sechsten Pariser Biennale teil, die im Zeichen der Teamarbeit, der dirigierten Gemeinschaftsarbeit stand (und zwar vornehmlich aus finanziellen Gründen). Die eingeladenen Länder konnten aber ebensogut Einzelbeiträge eines Malers, Graphikers, Bildhauers und Musikers entsenden, was etwa Österreich getan hat. Österreich-Kommissär Otto Graf, vom Museum des 20. Jahrhunderts, wählte den Maler Peter Pongratz aus Eisenstadt, den Bildhauer Gerhardt Moswit- z e r aus Maria Lankowitz, den Graphiker Bruno Gironcoli aus Villach und den Komponisten Giselher Smek al aus Seefeld als Repräsentanten der jungen österreichischen Kunst.
Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist die Krise der modernen Lyrik in Frankreich keine Krise des Auffassungsvermögens des Publikums; das hat mit der Entwicklung der Literatur Schritt gehalten. Wenn Verleger, Buchhändler und Lyrikleser zeitgenössischen Gedichten hier aus dem Wege gehen, ist allein der Nimbus schuld, mit dem Lyrik umgeben und isoliert wird. Auf diesen Nimbus reagiert die Menge mit Gleichgültigkeit. So kommt es. daß im Übermaß produziert wird und nur ein Minimum verlegt und verkauft werden kann. Mehr als 300 Zeitschriften und zeitschriftenähnliche Blätter gibt es, die sich nur mit Lyrik befassen. Ihr Publikum sind hauptsächlich Freunde und Mitarbeiter. Natürlich fehlen Ausnahmen nicht: Von der „livre-de-poche“-Ausgabe mit Gedichten Rimbaud s wurden 400.000 Exemplare, von Paul Eluards Gedichten in der Reihe „Poetes d'aujourdh'hui“ (Seghers) 300.000 Exemplare abgesetzt. FJndeutig zieht das Publikum die „sicheren Werte“ vergangener Jahrhunderte und Jahrzehnte den zeitgenössischen Autoren vor.
Der sechzigjährige, im Kaukasus geboreneArthur Adamov zählt mit Beckett, Genet und Ionesco zu den Erneuerern des französischen Theaters der fünfziger Jahre. 1967 versuchte er nach langem Schweigen sein Comeback mit „La politique des restes“ und ein Jahr später mit „M le Modere“. Bislang haben alle seine sozialkritischen Stücke an dramaturgischen Schwächen gelitten, so daß sich kein breites Publikum einfinden wollte. Adamov traf das um so tragischer, als für ihn Schreiben eine moralische Notwendigkeit, eine Zuflucht ist und ihm das eigene Weiterleben sinnvoll macht — das geht aus seinen 1967 erschienenen Erinnerungen und Tagebuchblättern „L'Homme et l'enfant“ eindeutig hervor. Aus dieser Sicht ist sein letztes Stück „Off Limits“ zu verstehen, dessen Uraufführung kürzlich in Aubervilliers am Pariser Stadtrand erfolgte.
Ein Gang durch die Säle des Petit Palais ist zweifellos eine der erregendsten Promenaden, die man gegenwärtig in Frankreichs Hauptstadt machen kann. Es ist eine Wanderung durch die bewegten Lebensphasen des Poeten und Kunstkritikers Charles Baudelaire, dessen Todestag sich im vergangenen Jahr zum hundertsten Mal jährte. Mit Recht darf sich diese herrliche Ausstellung die „Krönung“ des Baudelaire-Jahres nennen! Pierre Emmanuel, der vor einem halben Jahr in die Academie frangaise gewählte Romancier, hatte als „Generalkommissar der Veranstaltungen“ ein reichhaltiges Programm