Das Fenster-Fernsehen

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HbbTV heißt die Zukunft des internetfähigen Fernsehens, meinen deutsche Medienmacher. In Österreich gibt man sich noch abwartend.

Seit Jahren träumen die Medienmacher von der ultimativen Heirat zwischen Fernsehen und Internet - bislang erfolglos. So recht ist die Integration von Web-Inhalten auf dem Fernseher nicht gelungen, vor allem die Bedienung erwies sich als umständlich. Selbst in heutigen Web-fähigen Fernsehern, die Browser, Apps und Online-Videotheken bieten, müssen Suchbegriffe über fummelige Fernbedienungen eingegeben werden. Tastatur und Maus des Computers bleiben komfortmäßig unerreicht.

Mit HbbTV soll das alles anders werden, hofft die Industrie. Der Begriff steht für "Hybrid Broadcast Broadband TV“ und soll Online-Anwendungen endlich sinnvoll auf dem TV möglich machen. Einfache Bedienung steht bei den Entwicklern an erster Stelle, und inhaltlich soll die Technik Zugriff auf Mediatheken der TV-Sender, auf On-Demand-Dienste, interaktive Werbung, Spiele und soziale Netzwerke wie Facebook bieten.

Jeder kocht sein eigenes Süppchen

Viele dieser Anwendungen bringen aktuelle TV-Geräte bereits mit - allein: Jeder Hersteller kocht sein eigenes Software-Süppchen, und HbbTV soll als Standard fungieren, der auch noch Teletext und elektronische Programmführer integriert.

In der Praxis sieht das dann so aus: Am Bildschirm navigiert man via Fernbedienung durch Menüs, die Web-ähnlich gestaltet sind; das TV-Bild kann als kleines Fenster oder im Hintergrund weiterlaufen, während sich kleine Bilder, Text- und Videoschnipsel dazugesellen. Dieses "Mehrfenster“-Prinzip, das man von Windows kennt, soll vor allem eine Zielgruppe zurück an den Fernseher bringen: die Jungen. Denn viele von ihnen verzichten längst auf regelmäßigen TV-Konsum und sitzen lieber vorm PC.

In Deutschland wird derzeit groß in HbbTV investiert, auch weil Studien sagen, dass jeder zweite TV-Konsument gerne vom Sofa aus surfen würde: Das ZDF hat das "Heute Journal Plus“ gestartet, das Zusatzinfos in Bild- und Textform bereitstellt. Es kann bereits unter heutejournalplus.zdf.de abgerufen werden. Bei RTL soll die Anwendung "RTL Now“ heißen und auch Videos des Portals "Clipfish“ integrieren. Pro Sieben/Sat.1 entwickelt mit N24 eine HbbTV-Kooperation. Die ARD hat ihren Teletext digital und in HD aufpoliert, und ihre Mediathek HbbTV-tauglich gemacht.

Hierzulande geht es beschaulicher zu: Der ORF testet den Standard gerade intern. "HbbTV hat sich aus dem früheren Multitext entwickelt und ist europaweit genormt, weshalb er sich auch durchsetzen wird“, ist sich Michael Weber, Kommunikationschef der ORF-Tochter ORS, sicher. Die ORS fungiert beim HbbTV-Test als technische Servicestelle des ORF. Weber rechnet mit einem Start für die Zuschauer "im vierten Quartal 2012“. Oder zumindest dann, wenn es entsprechende Endgeräte auf dem Markt gibt.

Abwarten in Österreich

Beim privaten Konkurrenten ATV will man überhaupt noch abwarten. "Wir schauen uns an, wie die technische Entwicklung vorangeht“, sagt ATV-Pressesprecherin Alexandra Damms. "Bei uns passiert die Verschmelzung von TV und Internet schon jetzt online“, weiß Damms. "Unsere junge Zielgruppe macht alles gleichzeitig: Sie sieht etwa ‚Saturday Night Fever‘, ist zeitgleich online und gibt via Smartphone Postings und Kommentare dazu ab“.

Wer braucht also HbbTV? Die Jungen sind ohnehin mit Handy oder Tablet ständig online, und ob die ältere Seherschaft tatsächlich via TV ins Web einsteigt, wird vor allem von der Einfachheit der Bedienung abhängen.

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