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Vergebliche Warnungen

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Zwischen Vater und Mutter steht der 21jährige Prinz Carol auf dem sehr realistischen Standpunkt, Rumänien müsse mit dem Eintritt in den Krieg so lange warten, bis man sieher ist, wer siegen wird. Mit 22 Jahren wurde Carol großjährig erklärt, und die beschwörenden Worte, die bei dieser Gelegenheit Ferdinand an seinen Sohn richtete („Das schlechte Beispiel eines Hochgestellten kann den Staat und das beste Erbe zur Vernichtung und in den Abgrund führen“), waren nur allzu berechtigt und notwendig. Carol, von Natur liebenswürdig und leichtsinnig, wurde von allen Staatsgeschäften ferngehalten. Den Vater sah er als ewigen Zauderer und „schwachen Mann“; gewisse Unebenheiten im Privatleben seiner Mutter konnten seiner Aufmerksamkeit nicht entgehen. Er selbst fühlte sich — als erster seiner

Dynastie — als ein Kind des Landes, dessen Sprache er fließend sprach und in dessen Religion, der orthodoxen, er erzogen war. — So suchte er Erfolge auf anderem Gebiet und war bald der Liebling eleganter Damen und Habitue der teuersten Nachtlokale von Bukarest.

Sein erster Streich war die in Odessa erfolgte heimliche Trauung mit Jeanne Marie Lambrino, der Tochter eines rumänischen Generalstabsoffiziers, die zum ersten Thronverzicht Carols (am 2. September 1918) führte. Inzwischen war der Traum Marias von Groß-Rumänien verwirklicht: man hatte erhalten, was man wollte: aus dem „Altreich“ (Moldau, Walachei und Dobrudscha) von 1913 mit 123.000 Quadratkilometer und rund 8 Millionen Einwohnern war der achtgrößte Staat Europas geworden, mit 295.000 Quadratkilometer und rund 17,5 Millionen Einwohnern. Am 15. Oktober 1922 fand in dem im Herzen Siebenbürgens liegenden Alba Julia (Karlsburg), das von Stephan dem Heiligen gegründet wurde und wo Mihail der Tapfere begraben liegt, die feierliche Krönung mit der Parade der 40.000 Soldaten statt. Ferdinand I. war König von Groß-Rumänien. Rußland hatte sich durch die Revolution geschwächt, Oesterreich und Bulgarien waren ohnmächtig, die ehemaligen Alliierten aber sind an der Festigung eines „Cordon sanitaire“

zwischen Deutschland und Rußland interessiert: Rumänien hatte es verstanden, die Konjunktur auszunützen und befand sich auf dem Gipfel seiner Macht. Von den Jugendstreichen des Kronprinzen Carol war nicht mehr die Rede.

Da lernte dieser, noch im Krönungsjahr 1922, auf einem Ball der Bukarestcr Garnison eine junge Frau kennen, Helena Lupescu, die auf die künftigen Geschicke des Landes bald einen verhängnisvollen Einfluß ausüben sollte.

(Ein zweiter Artikel folgt.)

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