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Wiedersehen mit Lagaillarde

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Wieder ist Spanien zu einem Aktionszentrum der OAS geworden. Von den Kanarischen Inseln kehrten Lagaillarde und einige seiner Gefährten während des zehnmonatigen Zwangsaufenthalts auf Santa Cruz nach Madrid zurück, andere, wie Joseph Ortiz, Präsident einer obskuren „Provisorischen Regierung Fran-zösisch-Algeriens und der Sahara“, nahmen erneut auf Mallorca Wohnsitz, und weitere Ultras reisen durch dieses Land mit geheimgehaltenem Ziel. Freilich, die OAS, die etwa anderthalb Jahre hindurch, seit Anfang 1961, Algerien und Frankreich terrorisierte und die Welt in Atem hielt, ist nicht mehr und wird in der alten Form nicht wiedererstehen. Doch ihre Führer, auch wenn sie miteinander wütend rivalisieren, stimmen in einem überein: in der Ansicht daß sich aus der Asche der OAS ein politischer Phönix zur Erlösung Algeriens und Frankreichs erheben wird.

Erinnern wir uns,.was die OAS war: eine Vielzahl von Terrorgruppen, die sich untereinander heftig befehdeten, von Leuten angeführt wurden, deren Beste politische Träumer, deren Übelste simple Gangster waren, und die nur Salan einige Monate lang einigermaßen unter einen Hut bringen konnte. Es gab also nie eine geschlossene „Organisation de l'Armee Secrete“, sondern mindestens hundert „Organisation armees secretes“, ein ganz erheblicher Unterschied, und es ist heute noch nicht ausgemacht, wo die ersten OAS entstanden. Zu den frühesten und bald gefürchtetsten gehörte aber die „OAS Madrid“ unter Pierre Lagaillarde.

Der Anfang der Dreißiger stehende Anwalt Lagaillarde, Sohn reicher Colons aus Blida, wurde durch seine Teilnahme an der „Barrikadenwoche“ von Algier bekannt. Nach seiner Flucht nach Madrid gründete er hier mit etwa 15 anderen seinen Bund, der dank Geld und Propaganda schnell von sich reden machte. Ein großer Teil des Terrors in Frankreich wird auf sein Konto geschrieben: Philippe Castille, einer aus Lagaillardes Kreis, soll zum Beispiel die „blaue Nacht“ von Paris mit ihren aufeinanderfolgenden Plastikbombenexplosionen organisiert und sogar ein Attentat gegen Salan, Ziel des Hasses der meisten haben. Durch die zeitweise Fusion mit dem Bund des Homöopathen Lefevre, eines Schwärmers vom katholischen Ständestaat, wird die OAS Lagaillardes plötzlich religiös und korporativistisch, und in Paris nennt man sie die „weiße OAS“, die mystische, arische, zum Unterschied von der „blauen“, jakobinischen, freimaurerischen, „ver-judeten“ Salans.

So öffentlich ist Lagaillardes Vorgehen, daß schließlich die ihm gegenüber sehr toleranten spanischen Be-hören, wohl auf Pariser Vorstellungen hin, eingreifen müssen, ihn und etliche

Anhänger im Oktober 1961 verhaften und deportieren. Heute, nach seiner Rückkehr, ist er der alte nicht mehr. Wohl wirkt er noch kräftig wie ein Bär, sogar sympathisch mit seinem roten Seeräuberbart. Doch die Selbstsicherheit von einst, die gaskognische Großsprecherei, die ihn ausrufen ließ: „Der einzige echte revolutionäre Führer bin ich!“ scheinen geschwunden. Die zehn Monate unter ständiger Bewachung, die er „korrekt, aber überaus hart, härter als meine Zellenhaft in Frankreich“ nennt, sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen.

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