6682301-1961_50_06.jpg
Digital In Arbeit

Brigitte zieht in den Krieg

Werbung
Werbung
Werbung

Der Widerstand gegen die OAS ha eine ebenso energische wie hübsch Komibattantin gefunden. Die zusam men mit ihrem existentialistischei Gegenfüßler Jean-Paul Sartre bereit von der OAS durch eine Plastik explosion „vorbestrafte“ Filmschau Spielerin hat sich nämlich glatt ge weigert, einem Gewährsmann der un galanten Organisation in einer ihre duftigen Enveloppen die geforderter

50.000 NF „cotisation" zuzustecken Damit hat der durchlauchte Schmolle] de Gaulle im weltberühmten Schmoll- mündchen des erotischen Feld-, Wald- und Wiesenidols nicht nur ein reizvolles Pendant gefunden, sondern Brigitte macht sich mit diesem mutiger Akt geradezu zur moralischen Bannerträgerin des antifaschistischen Widerstands, denn sie scheute sich überdies nicht, das pikante Erpresserschreiber der Öffentlichkeit zu übergeben. Dei Vorfall wird zweifellos einen Nachwuchsregisseur — die Leute wachsen tatsächlich immer wieder nach — zu einem „historischen Film" inspirieren, der seinen Höhepunkt in der Szene fände, da die Künstlerin als großzügig dekolletierte Marianne mit dem Kopf Salans auf der Picke die „Citoyens" zum Sturm gegen die OAS-Barrikaden führt.

„Man zahlt und schweigt“

Nun muß man der OAS allerdings lassen, daß sie in geschäftlichen Dingen äußerst exakt vorgeht. Der Bardot wäre für ihre Zahlung eine einwandfreie, numerierte Quittung auf offiziellem Papier ausgestellt worden; ein Dokument, das ihr in einer eventuell faschistischen Sechsten Republik vielleicht dazu verholfen hätte, in eine günstigere Steuerklasse eingeteilt zu werden. Einer Anzahl bedeutender, in Algerien angesiedelter Geschäftshäuser wurden von der OÄS in den üblichen Briefumschlägen der Finanzbehörden Steuerveranschlagungen zugestellt, die sich von den entsprechenden Schreiben des zuständigen Minist jjiirnigjpH“ durch eine höhere Genauigkeit der Umsatzzahlen unterschiedet!. Den beunruhigten Unternehmern tat der Direktor der algerischen Filiale der „Banque de France“ achselzuckend kund: „Was wollen Sie? Die OAS ist die politische Organisation der Franzosen in Algerien. Von was sollte sie denn leben?" Der offiziöse Rat lautet also: man zahlt besser und schweigt. Diese Erpressungen greifen nun auch in der Metropole um sich, namentlich im Süden (Marseille, Nizza). In Paris sind sogar Anti-Racket-Kommandos gebildet worden, die durch die Rufnummer Odeon 8143 telephonisch feindlicher Umtriebe. Für jeden klai denkenden Innenminister ist es natürlich auf die Dauer ein unhaltbarer Zustand, wenn ausländischen Fernsehabonnenten dieselben Männer ins Haus geliefert werden, die seinen wackeren Polizisten immer wieder entwischen.

Diesem ersten Streich folgt sogleich ein zweiter. So wie der Jäger seinen Pirschgang durch enormen Lärm anzeigt, damit sich das Wild rechtzeitig in die günstigste Blattschußpositur werfen kann, wurde öffentlich bekanntgemacht, man werde nun versuchen, die OAS mit von höchster Geheimhaltung umgebenen Abwehrtrupps zu durchsetzen, um ihren (Ex-) Generalstab in den Griff zu bekommen. Diese Ankündigung ist offensichtlich für die zwischen Giftmordprozessen -in d Staatsempfängen oszillierende Phantasie des durchschnittlichen Bürgers bestimmt, dessen „geistiges

Auge“ wie im Kino schon die brave Polizeiassistentin wahrzunehmen glaubt, die vor lüsternen Blicken ihr Mieder fallen läßt, um den verruchten Staatsfeinden auf die Schliche zu kommen.

Verrat an hohen Stellen

In Tat und Wahrheit ist diese Geheimaktion schon vor einiger Zeit gescheitert. Man hat ein ganzes Kontingent zuverlässiger Beamter aus der Metropole nach Algerien verfrachtet, weil die örtlichen Behörden durch kräftige Konspiration bereits praktisch lahmgelegt waren. Wer beschreibt die Rührung dieser Geheimagenten, als ihnen sogleich am Morgen nach der Ankunft ein anonymer OAS-Anruf den liebenswürdigsten Willkomm entbot, während die Straßen in Oran mit Flugblättern übersät waren, denen sie ihre Identität, ihren Dienstrang, ihren Auftrag und den Wortlaut des höchst geheimen Telegramms entnehmen konnten, das ihre Mission nach Algerien begleitete?

Man wird uns hoffentlich nicht sofort ausweisen, wenn wir, in Rücksicht auf derartige Vorgänge, die Vermutung äußern, daß alle ernsthaften Aktionen gegen die OAS schon an sehr hoher Stelle unschädlich gemacht werden. Die französische Politik ist jedenfalls von dem Verdacht nicht frei, gewisse Tendenzen dieser Organisation im eigenen Interesse zu tolerieren. Es ist beispielsweise interessant, daß die OAS in Algerien, im Gegensatz zum FLN, Zusammenstöße zwischen Muselmanen und Europäern zu verhindern sucht, um die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens der beiden Bevölkerungsgruppen nicht von sich aus zu kompromittieren. Offenbar geistert in manchen Kreisen noch immer jene sentimentale Kolonialistenideologie, wonach sich die Algerier selber nichts sehnlicher wünschen als eine Fortsetzung der französischen Herrschaft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung