Kein Kommentar zu dieser Propaganda

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Mit seiner Nordkorea-Ausstellung „Blumen für Kim Il Sung“ erregt das Museum für Angewandte Kunst in Wien die Gemüter. Darf man Bilder, die einem stalinistischen System zu Propagandazwecken dienen, unkommentiert einer breiten Öffentlichkeit präsentieren?

Darf man eine Ausstellung über nationalsozialistische Kunst machen, ohne dabei die Verbrechen des Dritten Reiches zu erwähnen? Nein. Dieselbe Frage stellt sich derzeit in Bezug auf die Ausstellung „Blumen für Kim Il Sung“ im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK): Dort wird Kunst aus Nordkorea präsentiert, ohne dass in den Begleittexten oder im Katalog ein kritisches Wort über das letzte stalinistische Land der Welt und sein bizarres Regime verloren würde. Dieser Verzicht war der Preis, den das Museum dafür bezahlen musste, um die bislang noch nie im Westen gezeigten Kunstwerke ausstellen zu dürfen. Daher sind nun im MAK unkommentiert rund 100 Werke zu sehen, die nur einen Zweck erfüllen: der Herrscherdynastie zu huldigen und Nordkorea als Paradies auf Erden darzustellen.

Nordkorea ist ein hermetisch abgeschirmtes Land. Die Bewohner dürfen das Land nicht verlassen, selbst der Aufenthaltsort im Land wird ihnen vorgeschrieben. Es gibt kein Internet und keine Mobiltelefone. Die Medien werden vollständig vom Staat kontrolliert. Kritik an der Führung wird streng bestraft. Um Staatsgründer Kim Il Sung, den „Großen Führer“, wird ein quasi religiöser Kult betrieben.

Kult um die „großen Führer“

Seit Kim Il Sungs Tod herrscht sein Sohn Kim Jong Il. Schon bei seiner Geburt sei ein leuchtender Stern aufgestiegen, heißt es in der offiziellen Biografie des „Geliebten Führers“. Er gilt als Fan von Hollywoodschinken und soll eine riesige Filmsammlung sein eigen nennen. Bekannt ist auch sein Hang zum Luxus, etwa zu feinsten französischen Weinen. Sein Volk hingegen darbt. In den 1990er Jahren verhungerte rund ein Zehntel der Bevölkerung Nordkoreas, ein Drittel soll unter chronischer Unterernährung leiden. Auf den Prachtboulevards der Hauptstadt Pjöngjang herrscht gähnende Leere, weil es kein Benzin für die wenigen existierenden Autos gibt. Auf nächtlichen Satellitenfotos erscheint Nordkorea stockdunkel.

Von alldem ist in den im MAK ausgestellten Werken nichts zu sehen. Stattdessen Kim Il Sung inmitten lachender Menschen, Kim Jong Il inmitten wohlgenährter Bauern oder bei der Inspektion einer mit Lebensmitteln gut gefüllten Kasernenküche. Daneben Ölgemälde mit Landschaften oder Szenen aus dem Leben glücklicher „Werktätiger“. Plakate versprechen den Nordkoreanern: „Noch mehr Konsumgüter für das Volk!“ Einzig das Porträt eines weinenden Mädchens fällt aus der Reihe. Es hat sich am Arm verletzt. Dagegen ist selbst der „Geliebte Führer“ machtlos. Weniger politisch belastet ist die sehr traditionell anmutende Tuschmalerei, vorwiegend mit Landschafts- und Tiermotiven.

Fehlinterpretation ausgeschlossen

Natürlich wäre eine Konfrontation der Propaganda mit der Realität wünschenswert, aber ohne einen Verzicht darauf wäre die Ausstellung ganz einfach nicht zustande gekommen. Dann wäre dem westlichen Publikum der gespenstische Einblick in einen totalitären Staat der Gegenwart gänzlich verwehrt geblieben. Allerdings ist trotz fehlender Darstellung des Kontextes ausgeschlossen, dass ein Besucher Nordkorea allen Ernstes für einen vorbildliches Gemeinwesen halten könnte. Zu offensichtlich ist die propagandistische Verlogenheit der Kunstwerke, zu sehr ist die Absurdität des Führerkults auf die Spitze getrieben. Entlarvend ist das Gemälde „Präsident Kim Il Sung bei den Kunstschaffenden“, auf dem die Künstler beflissen mitschreiben, was ihnen der „Große Führer“ diktiert. Wie in einem Überwachungsstaat nicht anders zu erwarten, läuft ein Tonbandgerät mit.

Ein zweiter, allerdings kaum diskutierter Aspekt der Ausstellung ist die Ästhetik der gezeigten Werke. Die Mehrzahl der handwerklich perfekt ausgeführten Bilder steht ganz in der Tradition der klassischen europäischen Malerei. Die meisten sind dem Realismus verpflichtet, einige sind in dezentem Impressionismus gehalten. Ein westlicher Künstler, der so malt, würde mit nassen Fetzen aus dem Museum gejagt und vom Kunstbetrieb geächtet werden. Werke, die die Moderne komplett ignorieren, als zeitgenössische Kunst zu präsentieren, ist in Wahrheit der größere Affront als die fehlenden Kommentare.

Blumen für Kim Il Sung

Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea. MAK, Stubenring 5, 1010 Wien

bis 5. September, Di 10–24 Uhr, Mi–So 10–18 Uhr Katalog hg. von Peter Noever, 232 Seiten, E 35

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