Selten ist das Image eines Machthabers so schnell und so radikal umgeschlagen wie das des Kim Jong-il in der vergangenen Woche. Politisch gesehen brachte das erste Zusammentreffen der beiden Staatsoberhäupter im seit einem halben Jahrhundert geteilten Korea Entspannung in einer militärischen Krisenzone und stellte einen Schritt auf dem Weg zur koreanischen Wiedervereinigung dar.
Darüberhinaus gelang es dem seit 1994 regierenden kommunistischen Machthaber Nordkoreas mit einer gelungenen Selbstdarstellung, das koreanisch-koreanische Verhältnis nachhaltig zu verändern. Die südkoreanischen Besucher erlebten Wunder über Wunder. Keine Rede mehr vom angeblichen Sprachfehler des Diktators, der jahrelang als Erklärung für dessen Selbstisolation bemüht wurde. Kim Jong-il gab sich redselig, erklärte seinem Gast, dass man hier im Norden die Nudeln langsamer schlürfen müsse und ließ sich über die Varianten des koreanischen Nationalgerichts Kimchi (scharf eingelegtes Weißkraut) in Nord und Süd, China und Japan aus.
Dem anderen Kim, Südkoreas Präsidenten Kim Dae-jung, blieb bei dieser Selbstinszenierung nur die Rolle des staunenden Beobachters, und sein Sprecher beeilte sich, den Reportern zu erklären, Kim Dae-jung sei nur deshalb so still, weil der Norden seine Positionen ja schon kenne. Der Präsident wolle daher lieber zuhören, was Kim Jong-il zu sagen habe.
Der Popularitätsschub des in der Vergangenheit als Verrückten, Playboy, Alkoholiker und Terroristen bezeichneten Jong-il kommt auch Dae-jung nicht ungelegen. Der konservativen Opposition in Südkorea wird es künftig schwerer fallen, die "Sonnenschein-Politik" anzugreifen, wie Dae-jung seine Nordkorea-Strategie der schrittweisen Annäherung nennt. Das Gipfeltreffen zeigte, dass man auch mit einem Diktator, mit dem man keineswegs die Weltanschauung teilt, rational verhandeln kann.
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