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Der vergoldete Gotze

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Während der zurückliegenden Monate ist in Nordkorea der Götzenkult um den Diktator Kim Il-Sung auffallend verstärkt worden. Sein Geburtstag wurde zum ersten Staatsfeiertag erhoben mit der Erklärung, er sei der größte Führer Koreas in dessen fünftausendjähriger Geschichte. Inzwischen versah man sein 20 Meter hohes Denkmal in Pjöngjang mit einem Goldütoerzug.

Krampfhaft wird auch ein entsprechender Lebenslauf erfunden. Schon früher war bekannt, daß er in Wahrheit Kim Sung Joo heißt; mit 22 Jahren legte er sich den Namen des legendären Generals Kim Il-Sung zu, der gegen die Japaner gekämpft hatte. Mitte 1926 wurde Kim dann, heißt es in einer Veröffentlichung, ein „kommunistischer Jugendführer“. Nach einer anderen Version gründete er damals den Kommunistischen Jugendverbanri in der Mandschurei. Glaubt man den neuesten Broschüren Pjöngjangs, so gründete in jenen Monaten der Vierzehnjährige die Kommunistische Partei Koreas (die in Wahrheit schon seit April 1925 existierte).

Im Mai 1936 — nach heutiger Darstellung — gründete Kim Il-Sung die „Vereinigung für die Rettung des Vaterlandes“ und wurde ihr Präsident. Wohl entstand damals wirklich diese antijapanische Widerstandsbewegung — doch warum tragen die Urkunden der Gründungszusammenkunft nicht seinen Namen, sondern die Namen vier anderer Koreaner? Stolz berichtet die Biographie, Kim habe von 1932 bis 1945 gegen die Japaner „miehr als 100.000 Schlachten geschlagen“, wobei er „keine einzige Schlacht verlor“. Tatsächlich können es kaum mehr als neun Jahre gewesen sein; das aber würde bedeuten, daiß Kim jeden Tag mehr als 30 Schlachten geschlagen hätte! Denn 1941 ging er in die Sowjetunion — was dort geschah, bleibt seltsamerweise .im Dunkel. Unbestritten ist, daß er 1945 in sowjetischer Uniform nach Nordkorea zurückkehrte.

Seit längerem leidet Kim Il-Sung indessen an einem Krebsgeschwür im Nacken. Anfang September nahm er erstmals nicht an den Feierlichkeiten anläßlach des Jahrestages der Gründung der Nordkoreanischen Volksrepublik teil. Die Spruchbänder bei der Feier trugen die Parole „Langes Leiben und gute Gesundheit dem großen Führer, Genossen Kim Il-Sung“ — was nach asiatischer Mentalität auf schwere Krankheit schließen läßt.

Lange schien die Nachfolge auf den jüngeren Bruder Kim Yong-Joo zu fallen. Dieser studierte bis 1945 in Moskau; in Nordkorea gelangte er später bis in die Führungsspitzen der Partei, fiel dann auf den elften Platz in der Hierarchie zurück, konnte jedoch in jüngster Zeit seine Position wieder verbessern. Aber auch Kim Il-Sungs Frau, Kim Song-ae, strebt an die Macht. Als Vorsitzende der Frauenbewegung weiß sie 2,7 Millionen Mitglieder hinter sich.

Während der letzten Zeit hat Kim Il-Sung indessen seinen Sohn aus erster Ehe, Kim Chong-il, in den Vordergrund geschoben. 1941 in der UdSSR geboren, studierte dieser später in Nordkorea und wurde 1973 überraschend in der Parteifühung zum Sekretär für Organisation, Propaganda ,und Agitation ernannt. 1975 wurde sein Geburtstag erstmals wie ein Nationalfeiertag begangen und an Gebäuden und Fabriken sein Bild neben jenem seines Vaters angebracht. Im März 1976 erhielten die pronordkoreanischen Chosoren in Japan die Mitteilung, Chong-il sei „der einzige Nachfolger“ des Diktators, er sei „ein Genius der Ideologe und Führer und Lehrer des Volkes“. Doch war seine Position nicht unibestritten. Sehr oft gab es Differenzen mit der Frau seines Vaters, deren Einfluß er zu unterlaufen suchte. Die Macht im Parteiaparat zudem blieb bei Kim Yong-Joo. Wahrscheinlich kam es in diesem Frühjahr wegen der Nachfolge Kim Il-Sungs zu Machtkämpfen. Der Vizepremier Nam-il fiel offiziell einem Uniglücksfall zum Opfer — in Tokio glaubt man, daß er von der Leibwache Kim Il-Sungs ermordet wurde.

Mitte September nun verschwanden in Nordkorea über Nacht alle Bilder von Kim Chong-il. Erst meldeten gut informierte japanische Kreise, daß auch Generalleutnant Chi Kyong-su, der Kommandeur der Leibwache Kim Il-Sungs und ein enger Vertrauter Kim Chong-ils, aus unbekannten Gründen gestorben sei. Heute sieht man jedenfalls im Lande lediglich die Porträts des alten Diktators. Doch das Problem seiner Nachfolge wird immer größer ...

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