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Traditionen

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MARTIN BUBER. Herausgegeben von P. A. Scheippund M. Frlednmin. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart, 1963. 660 Seiten. Preis 68 DM.

Die Editionsreihe „Philosophen des 20. Jahrhunderts” bezweckt, noch lebende bedeutende Denker einer Anzahl von Anhängern und Gegnern gegenüberzustellen und so in einem Wechselgespräch in Buchform die philosophischen Bemühungen unserer Zeit sichtbar werden zu lassen.

Martin Buber wurde 29 Kritikern und Auslegern seiner Philosophie konfrontiert. Die kritischen Essays kreisen vor allem um zwei Zentralprobleme der Philosophie Bubers: „Ich und Du” und „der Mensch und Gott” oder der „Chassidismus”.

Martin Buber weiß sich in einer doppelten Tradition. Er fühlt sich der abendländischen Philosophie ebenso verpflichtet wie der jüdischeuropäischen Bewegung des Chassidismus. Beide Anliegen versucht Buber nicht nur in seinem Denken, sondern — wie er es besonders auch nach 1945 gezeigt hat, als er sich für das deutsche Volk einsetzte und sich gegen eine Kollektivschuldaussprach —, auch in seinem Wirken zu vereinigen. Buber ist immer bemüht, die philosophischen Errungenschaften der christlich-abendländischen Philosophie, und hier vor allem des „deutschen Idealismus”, nicht zu unterbieten —, dies ist vielleicht der Hauptgrund vieler Mißverständnisse seiner, vorwiegend amerikanischen Interpreten. Darüber hinaus aber erscheint ihm, daß die europäische Philosophie viele Themen nicht aufgegriffen oder zu peripher behandelt hat. Diese Themen richten sich auf das Verständnis der personalen Beziehungen der Menschen und das Verhältnis dieser zu einem persönlichen Gott. Hatte im 17. Jahrhundert der große jüdische Philosoph Baruch de Spinoza, sich in besonderem Maße der Ethik zugewandt, so kann der, ihm im Anliegen verwandte, Martin Buber doch als dessen Antipode bezeichnet werden. Spinoza hat durch seine Geometri- sierung der Ethik viel zu der nachfolgenden Verirrung menschlicher Wissenschaftlichkeit in der Soziologie beigetragen. Gerade aber dagegen wendet sich Buber mit ganzer Kraft, und.- hierbei; zeigt sich . deutlich seine Bezogenheit aüf den Chassidismus jener,, jüdisch-russischen 3ew£fetp£, die gė’gdri aie feesetzes- fanatiker die Liebe und Güte des Menschen in den Mittelpunkt ihres Denkens und Strebens stellen.

Das Verhältnis der Menschen zueinander läßt sich weder mathematisch noch statistisch begreifen und auflösen, sondern wir können ihm nur über das Phänomen des „Du” nähertreten. Die Rückwirkung des Du auf das Ich kann nicht rational aufgelöst, das heißt im vornherein begriffen werden, sondern läßt sich nur im nachhinein erfahren und erleben. Deswegen aber bleibt aller rationalen Philosophie letztlich auch ein wirklicher Gott unerklärlich, denn wie sollte sie Gottes Wirken begreifen und bestimmen können, da sie schon die Handlungen eines anderen Menschen nicht erreichen kann. Dieses ist das zweite Hauptproblem Martin Bubers; Wie ist Gott erfahrbar oder wie offenbart sich Gott den Menschen? Hier wirft Buber die gleiche Frage auf, die im 19. Jahrhundert Schelling im Rahmen der christlichen Tradition stellte und zu lösen versuchte.

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