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Martin Buber und die Jungen

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Die Kampress brachte in der : Hummer vom 21. Februar eine Zeitungsmeldung aus Israel, wonach es zu Konflikten zwischen streng religiösen und liberalen Gruppen von Juden im Staate Israel gekommen sei. Wir bringen nachstehend ein Interview mit Martin Buber, dem großen jüdischen Theologen und Philosophen, das erst vor kurzem stattfand und die Situation heller beleuchtet.

Die Redaktion

Dieser Tage versammelten sich in dem alten Jerusalemer Haus des 85 jährigen Philosophen Dr. Martin Buber 25 Lehrer, um ein philosophisches Zwiegespräch zu führen. Ein jeder wurde gebeten, nur über das, was ihm am nächsten liegt, zu sprechen, denn die Philosophie laut Buber ist das wahre Leben und keine abstrakte Theorie. Die Enkelin von Professor Buber reichte Tee und Gebäck, man rauchte Zigaretten und Pfeife, Professor Buber mit seinem wallenden Bart und seinem weisen Antlitz saß gemächlich in seinem Klubsessel und dozierte in hebräischer Sprache. Einer der Anwesenden sagte später: „Nun kann ich verstehen, wie Sokrates seinerzeit seine Philosophie kristallisierte.“

EINER DER LEHRER BEGANN: „Unser Problem bei der Erziehung der jungen Generation: Wir besitzen keinen Glauben mehr an diese Welt.“

MARTIN BUBER: „Und an uns selbst glauben Sie, sind wir (Juden) ein auserwähltes Volk?“

DER LEHRER: „Ich glaube kaum, daß wir ein außergewöhnliches Volk sind.“

MARTIN BUBER: „Wenn Sie nicht meinten, aan die Menscnen uneran so gut sind, so muß man eben aus der Geschichte lernen. Glauben Sie etwa, daß sich die Menschheit durch der Nazismus änderte, oder begann eine Änderung bereits während der Regierungszeit von Pilsudski, denn so etwas geschah schon früher? Man kann betonen, daß im Falle des Nazismus die Massenmorde mehr ins Auge stachen, An der Qualität änderte sich nichts, sondern nur an der Quantität. Was ist daher die Neuerung? Ich dachte schon immer, daß es schwer ist, nicht nur als Jude, sondern als Mensch zu leben .., Ich sagte, man muß etwas machen, sich Mühe geben, wagen, denn ich glaube nicht, daß das, was gescheher ist, unsere Weltanschauung ändert.“

EIN ANDERER LEHRER: „Ich sehe nicht die Sonne, mit deren Licht ich bestehe. Was ist unser pädagogisches Ziel?“

MARTIN BUBER: „Einige Zeil nach Erstehung unseres Staates (19481 lud Ministerpräsident Ben Gurion Männer des Geistes zu sich ein und fragte sie um Rat, wie dieser Staai gestaltet werden soll. Ich fragte ihn: ,Wozu?' Im Judentum ist dies eine prinzipielle Frage: ,Wozu lebt dei Mensch?' Er baut ein Haus, ein Voll errichtet einen Staat. Wozu macher wir dies? ... Der Ministerpräsident antwortete: .Wozu lebt der Mensch'-Man will leben!' Ich widersetzte micli dieser Auffassung... Jeder Mensel aus eigenem Willen oder nicht au-eigenem Willen muß sich selbst die Antwort geben: wozu? Um so mchi muß sich eine Gesellschaft vor Menschen um den Sinn ihres Lebens fragen. Wir haben bereits einige Jahn einen Staat, und niemand fragt sich mit tiefem Ernst: Wozu das?“

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