Vermerk "Dr. Friedrich Israel Fischl"

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Beispiel Wien: Die Rückgabe arisierter Kunstgegenstände gestaltet sich selbst unter besten politischen Bedingungen schwierig.

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Beispiel Wien: Die Rückgabe arisierter Kunstgegenstände gestaltet sich selbst unter besten politischen Bedingungen schwierig.

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Die Rückgabe von im Zuge der NS-Zeit erworbenen Kunstgegenständen gestaltet sich selbst unter besten politischen Bedingungen als schwierig. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Wien, die spät, aber glaubwürdig ihre Sammlungen nach bedenklichen Kunstankäufen durchforstet um sie endlich den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Per einstimmigem Gemeinderatsbeschluss verpflichtete sich die Stadt Ende April 1999, Kunst- und Kulturgegenstände aus ihren Museen, Archiven, Sammlungen und Beständen, die zwischen1938 und 1945 in Folge von Arisierung, Enteignung oder anderen Praktiken des NS-Regimes in ihren Besitz gelangt sind, unentgeltlich an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger zu übereignen. Das gilt auch für jene Fälle, wo Besitzer nach dem Krieg auf Restituierung verzichteten, weil sie sich daran gebundene Kosten nicht leisten konnten oder sich nicht auf Gegentäusche einlassen wollten.

Nach etwas über einem Jahr wurde nun Zwischenbilanz gezogen. Ursprünglich rechnete man mit ein paar hundert Kunstwerken, die ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden müssen. Nach bisherigen Recherchen handelt es sich um viel mehr: 110 Sammlungen, mindestens 3.000 Objekte. "Wir wollen alles ohne ,wenn und aber' zurückgeben. Die Opfer haben jahrzehntelang gewartet, nun soll rasch abgewickelt werden", erklärt der zuständige Kulturstadtrat Peter Marboe.

Besonders schwierig gestaltet sich die Recherche bei Kunstwerken, die bei Auktionen im Dorotheum erworben wurden. "Die Herkunft ist schwer aufzuklären, weil es oft keine Unterlagen gibt", erklärt Günter Düriegl, Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien. An die 700 Objekte fallen in diese Kategorie. 400 weitere Exponate wurden von NS-Dienststellen erworben, auch hier sind die ehemaligen Besitzer schwierig zu eruieren. "Unser eigener Archivbestand ist nicht lückenlos", bedauert Düriegl. Die Suche nach Dokumenten führte schon bis nach Washington, wo man Arisierungsunterlagen aus Wien finden konnte. Sollten sich keine Eigentümer mehr finden, werden die Kunstwerke dem Nationalfonds der Republik für die Opfer des Nationalsozialismus übergeben.

Die Dokumente erzählen tragische Geschichten. Im Inventar findet sich zum Beispiel eine Ankaufsurkunde aus dem Jahr 1943 mit dem Vermerk "Dr. Friedrich Israel Fischl". Offenbar konnte Friedrich Fischl, der zusammen mit seinem Bruder eine Rechtsanwaltskanzlei in der Praterstraße betrieben hatte, noch 1943 mit der Gemeinde ein Geschäft abwickeln. Vielleicht wog ihn das in Sicherheit, vielleicht hoffte er auf Milde. Vergeblich. Auch die Fischl-Brüder entkamen der Vernichtungsmaschinerie der Nazis nicht. "Einer starb in Lodz, der zweite auf dem Todesmarsch von Auschwitz nach Mauthausen", berichtet Düriegl.

Vergangenheitbewältigung dauert: Bisher wurden 14 Objekte an die Familien Rothschild, Bloch-Bauer und Lederer restituiert, ein einziger Fall wurde abgelehnt, da es sich um einen Erwerb aus dem ersten Weltkrieg handelte. Die komplizierte Rückerstattung des Johann Strauß-Nachlasses, der mehrere Erben betrifft, steht demnächst zur Beratung an. Insgesamt hofft man, in den nächsten zwei Jahren alles restituieren zu können.

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