Werbung
Werbung
Werbung

Mit Donizettis "La Fille du régiment" schlägt in der Wiener Staatsoper eine Sternstunde.

Ah! Mes Amis, quel jour de fête!" O ja, der Sonntag Abend war wahrlich ein Freudentag für Opernfreunde. Das Publikum der Wiener Staatsoper geriet regelrecht in Raserei, nachdem Juan Diego Flórez seine Arie mit ihren neun Hohen Cs bravourös absolviert hatte - wobei der Jubel wohl nicht so hymnisch gewesen wäre, wenn bei der Aufführung von Gaetano Donizettis La Fille du régiment nicht auch alles andere perfekt gewesen wäre.

Direktor Ioan Holender hatte die Regimentstochter noch Nase rümpfend als "kein adäquates Werk für die Staatsoper" angekündigt, das allein aus "kulinarischen Gründen" zur Aufführung käme. Papperlapapp! Es sind Werke wie dieses, das hinreißende Melodien, höchste Virtuosität fordernde Bravournummern, hemmungslose Melodramatik und zündenden Witz vereint, derentwegen einem die Oper erst zur lebenslangen, leidenschaftlichen Geliebten wird.

Schon die britischen Zeitungen hatten die Koproduktion von Wiener Staatsoper, Covent Garden in London und der Met in New York als Jahrhundertaufführung gefeiert. Tatsächlich ist diese Regimentstochter eine jener Sternstunden, die der Opernfreund nur ein paar Mal im Laufe seines Daseins erleben darf.

Natalie Dessay als das von einem französischen Regiment adoptierte Findelkind Marie und Juan Diego Flórez als der sie liebende Tiroler Jüngling sind aufgrund ihrer gesanglichen Brillanz und ihres Spielwitzes schlichtweg die Idealbesetzung der heutigen Zeit. Wie Dessay ihre atemberaubende Gesangstechnik für komische Effekte einsetzt, ist unübertrefflich. Die quirlige und burschikose Art des bügelnden und Kartoffel schälenden Görs schlägt sich in aberwitzigen Koloraturen nieder. Nur kurze Zeit später wiederum vermag sie mit einer innigen Abschiedsarie zu Tränen zu rühren.

Die wunderbare Regie von Laurent Pelly lässt grüblerische Gedanken über Hurra-Patriotismus und die naive Verherrlichung des Militärischen, die dem Stück zu Grunde liegen, erst gar nicht aufkommen: Die Soldaten mit ihrem brummigen Sergent (Carlos Alvarez) sind subtile Karikaturen, wie sie jeder guten Operetteninszenierung gut täten.

Auch die Marquise de Berkenfield (Janina Baechle), die sich schließlich als Maries Mutter entpuppt, ist als köstliche Übertreibung des Typus der stets pikierten, feinen Dame angelegt. Als besonderes Zuckerl kommt in der Beinahe-Sprechrolle der Duchesse de Crakentorp niemand geringerer als Montserrat Caballé, eine der größten Donizetti-Interpretinnen des 20. Jahrhunderts, zu einem herrlich selbstironischen Auftritt. Den humoristischen Höhepunkt bildet das Erscheinen der greisen Gäste auf der Hochzeit der unversehens zum Adelsspross mutierten Marketenderin: zum Brüllen komisch, wie diese Lemuren, selbst im letzten Stadium der Demenz noch immer auf noble Steifheit bedacht, auf die Bühne trippeln und wanken.

Dieses Geschehen findet seine Entsprechung in dem hoffnungslos altmodischen, an ein Menuett gemahnenden Walzer, den Yves Abel dirigiert, als hätte man ein Orchester aus vor Jahrzehnten pensionierten Philharmonikern aus dem Seniorenheim herangekarrt. Nicht minder den jeweiligen Anforderungen entsprechend gestalten Dirigent und Staatsopernorchester aber auch die schmissigen und die melodramatischen Passagen. Der Frankokanadier Abel hat dabei auch keine Skrupel, in jener Italianità zu schwelgen, die sich trotz aller Zugeständnisse Donizettis an den französischen Geschmack in die Partitur eingeschlichen hat.

Vive Abel! Vive Pelly! Vive Dessay! Vive Flórez! Und auch Holender - trotz Naserümpfens.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung