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Ein Wort zum Abbruch

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Im Zusammenhang mit der Nachricht von dem bevorstenenden Abbruch der alten Florianikirche in der Wiedner Hauptstraße appelliert die Redaktion der „Furche“ in der Nummer vom 17. Juli an mich, „bei der Lösung der Frage, welche Verwendung das Bauwerk in Zukunft finden soll, mitzuwirken“. Damit wird aber doch der Eindruck erweckt, daß wenigstens mit ein Grund für den Abbruch des Gotteshauses auch die Verlegenheit sei, wozu die alte Kirche dienen soll, nachdem die neue steht.

Ich habe aber schon 1955 in einem Memorandum an die Gemeinderäte ausdrücklich erklärt, daß die Erzdiözese und die Pfarrgemeinde bereit wären, auch nach Bau der neuen Kirche, beide Kirchen zu erhalten, wenn das Opfer des Abbruches der alten nicht notwendig sein sollte.

Könnte also die Kirche erhalten bleiben, wäre es denkbar, daß der eine oder andere Gottesdienst im Jahr hier gehalten wird und vielleicht auch noch öfter, wenn die künftige Entwicklung des Verkehrs in der Wiedner Hauptstraße dies ermöglichen sollte.

Zur Vorbereitung seines ausdrücklichen Verlangens nach dem Abbruch des Baudenkmals hat der Magistrat in einem Schreiben vom 9. Juni 1965 als Begründung angegeben:

„Die Planung der Straßenbahn-tieflegung ist im Abschnitt Klieber-gasse-Wiedner Hauptstraße ein Teil des generellen Projektes für die Unterpflasterstraßenbahnlinie Marga-retengürtel-Praterstraße. Die Haltestelle Zentagasse, die mit ihren Stiegenanlagen im Bereich der Kreuzung der Wiedner Hauptstraße mit der Kliebergasse-Zentagasse geplant ist und sich von dort zirka 100 Meter stadtwärts erstreckt, kommt unter die bestehende Kirche St. Florian („Rauchfangkehrerkirche“) zu liegen. Eine Seitenlage ist weder in Richtung zu den geraden noch zu den ungeraden Ordnungsnummern der Wiedner Hauptstraße möglich, da dies weder der minimale Krümmungsradius für die Einführung der Linie in der Kliebergasse noch der Kanal und der zu enge Straßenraum auf der anderen Seite erlaubt. Der Abbruch der Kirche gestattet auch die notwendige großzügige Gestaltung der Straßenoberfläche in der Wiedner Hauptstraße. Die Ausbildung von fünf Fahrspuren mit je dreieinhalb Meter Breite und eine Trennung der Richtungsfahrbahnen mittels eines dreieinhalb Meter breiten Grünstreifens wäre dann durchführbar. Die Erhaltung der Kirche wäre mit sehr hohen Kosten verbunden. Auch würde der Weiterbestand stets ein Verkehrshindernis bleiben. Nach dem derzeitigen Baufortschritt ist eine Beendigung der Abbruohsarbeiten bis Ende August 1965 erforderlich.“

Daraus wird nicht nur die neue

und zusätzliche Schwierigkeit ersichtlich, die für den Weiterbestand der Kirche durch den Bau einer Unterpflasterstraßenbahn entstanden ist und die in der Diskussion vor zehn Jahren noch nicht gesehen worden war, sondern es wird auch

offenbar angedeutet, daß dies nur der Anfang für eine umfassende Umgestaltung der ganzen Wiedner Hauptstraße ist. Denn die Anlage von fünf Fahrbahnen hier dürfte doch nur einen Sinn haben, wenn diese dann bis zum Ring fortgeführt werden. Das bedeutete aber, daß auch die Baumallee in der Wiedner

Hauptstraße liquidiert und die Nebenfahrbahnen in den vollen Verkehr einbezogen würden. Die größte Schwierigkeit hiefür dürfte sich dann durch den bestehenden Engpaß bei der Paulanerkirche ergeben. Von der Südautobahn her wird

eben diese Straße die einzige oder doch kürzeste und rascneste Verbindung zum Stadtzentrum hin werden — lauter Fragen und Probleme, die allen Wienern am Herzen liegen oder liegen müßten, nicht den kirchlichen Stellen oder den Katholiken als solchen. Denn eine seelsorgliche Notwendigkeit, für die einzutreten

Sache der kirchlichen Stellen wäre, ist hier nicht gegeben.

Ich möchte hier noch einmal festhalten, daß die Gemeinde das Pa-tronat über die alte Kirche durch Überlassung des Baugeländes für die neue nicht ohne Großzügigkeit abgelöst hat durch das entscheidende Eingreifen des heutigen Herrn Bundespräsidenten, den ich mit Schreiben vom 7. März 1961 ersucht hatte, die damals schon fünf Jahre „laufenden“ schwierigen Verhandlungen

über die Ablöse endlich zu einem guten Abschluß zu bringen.

Das Stadtbauamt könnte vielleicht zur größeren Sachlichkeit der wiedererwachten Diskussion beitragen, indem es Auskunft gibt, wie viele Millionen Mehrkosten die Erhaltung des Bauwerkes im Rahmen derUm-baupläne verursachen würde.

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