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Weltstaat in osterreich

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Die meisten Österreicher sind sich dessen kaum bewußt, daß es in ihrem Land einen fremden Staat gibt, mit einem eigenen Parlament, einer eigenen Regierung, eigenen Verwaltung und Beamten, ja sogar mit ständigen diplomatischen Vertretern von 43 Nationen, die bei der Regierung dieses fremden Staates und nicht bei der österreichischen akkreditiert sind, obwohl sie alle in Wien residieren. Der fremde Staat ist die Int ernationale Atomenergieorganisation, die IAEO. Sic gehört der Familie der Organisationen der Vereinten Nationen wie etwa UNESCO, FAO und IAO an. Sie unterscheidet sich jedoch von ihnen dadurch, daß sie keine Unterorganisation der UNO, sondern vollkommen autonom ist. Nicht alle Mitgliedsstaaten der UNO gehören der IAEO an (zum Beispiel Irland nicht), und umgekehrt könnte ein Staat durchaus Mitglied bei der IAEO und nicht bei der UNO sein, obwohl das derzeit nicht der Fall ist.

Die IAEO verdankt ihr Dasein zur Gänze einem Ziel: der Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke und deren Förderung.

In den frühen fünfziger Jahren hat der damalige Bundeskanzler Raab erklärt, daß die Herstellung elektrischer Energie eine übernationale Angelegenheit sein müßte. (Leider ist sie bei uns noch nicht einmal zu einer allösterreichischen Angelegenheit geworden.) Diese Notwendigkeit besteht jedoch erst recht in bezug auf die Erzeugung von Atomenergie. Ihre Erforschung und erste Auswertung“ während des Krieges erforderte einen finanziellen Aufwand von vielen Milliarden Dollar, die Rekrutierung und Zusammenarbeit der meisten Physiker und Technologen der alliierten Weststaaten und den Bau ganz neuer Industriestädte und vieler teurer Fabriken. Viele andere Länder waren seither imstande, auf jener — trotz ihrer ersten verderblichen Verwendung — großen Pionierleistung aufzubauen und sich der Herstellung von Atomenergie zuzuwenden. Dennoch war den meisten von ihnen vorerst und ist ihnen auch weiterhin bewußt, daß sie hierfür fremder Hilfe bedürfen. Und wenn diese Hilfe nicht vom Gutdünken einiger weniger Atomgroßmächte abhängen soll, muß ihre Gewährung, ja überhaupt die weitere Erforschung, Entwicklung und praktische Anwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke international organisiert werden. Der erste Vorschlag hierfür kam von dem damaligen Präsidenten der USA, Eisenhower. Die Verwirklichung kam vor nun sechs Jahren, am 26. Oktober 1956, als die IAEO gegründet wurde. Ihr offizielles Dasein an ihrem als ständig beschlossenen Sitz in Wien begann sie jedoch erst neun Monate später, weil erst bis zu diesem Zeitpunkt die Volksvertretungen der laut Satzung erforderlichen Mindestzahl von Mitgliedstaaten (18, darunter mindestens drei der führenden fünf Atomländer) die Satzung der IAEO ratifiziert hatten.

Seither sind es 77 geworden, die jüngst Beigetretenen sind Kolumbien,Kongo, Ghana, Libanon, Mali und Senegal. Bei der diesjährigen Vollversammlung der IAEO wird vermutlich über die Aufnahmegesuche weiterer neuentstandener Staaten verhandelt werden.

Egal, wie groß oder klein, arm oder reich, Atommacht oder atomarisch hilfsbedürftig, hat jeder Mitgliedsstaat der IAEO auf deren alljährlichen Vollversammlung in der Wiener Hofburg gleiches Sprach- und Stimmrecht, und kein Staat ist durch mehr als einen Bevollmächtigten vertreten. Dieser kann sich zwar soviel Berater und Fachleute als er nur will mitbringen, doch muß sein Land die Kosten für deten Salär und Verköstigung bezahlen.

Die Gesamtheit der Mitgliedstaaten stellt die Geldmittel zur Verfügung, die für die Durchführung sämtlicher Arbeiten, der Vollversammlung, zahlloser Sonderkonferenzen und der Aufrechterhaltung der sehr komplexen politischen Maschinerie und organisatorischen Verwaltung der IAEO benötigt werden. Der Beitrag jedes Landes wird nach einem Schlüssel errechnet, der die finanziellen Erfordernisse der IAEO und die dem Nationaleinkommen jedes Landes entsprechenden finanziellen Beitragsmöglichkeiten aufeinander abstimmt. Der Budgetvoranschlag der IAEO für das kommende Jahr sieht Ausgaben von 9,562.100 Dollar vor, die durch Mitgliedsbeiträge von 7,122.500 Dollar sowie durch freiwillige zusätzliche Beiträge von 2 Millionen Dollar und durch Einkommen aus Dienstleistungen der IAEO für Mitgliedstaaten und durch andere Benefizien gedeckt werden. Die höchsten sechs Mitgliedsbeiträge kommen von: USA 1,988.155 Dollar; UdSSR 901.284 Dollar; Großbritannien 441.744 Dollar; Frankreich 363.499 Dollar: Deutsche Bundesrepublik 302.505 Dollar und Nationalchina {das andere befindet sich nicht in der IAEO) 284.683 Dollar. Österreich steht, so wie die Philippinen, mit 24.644 Dollar an 31. Stelle der 51 Zahlungsklassen. Die ärmsten „Schlucker“ müssen nur 2464 Dollar pro Jahr zahlen. Es sind: Albanien, Honduras, Haiti, Karnbodscha, Mali, Monako, Nikaragua, Paraguay und — der Vatikanstaat. Leider sind nicht alle Mitgliedstaaten pünktliche Zahler. Einige sind noch ihre Kontributionen für 1958 schuldig, und unter denen, die ihre Schuldigkeit für 1962 noch nicht voll beglichen haben, befinden sich die zwei größten Atommächte: USA und UdSSR.

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