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Ein 14-Jähriger erschossener mutmaßlicher Einbrecher: Tragischer Einzelfall oder extreme Folge von Frühreife einer neuen pubertierenden Generation: Was bewegt die heute 11- bis 14-Jährigen?

Und plötzlich stehen sie im Blickfeld: die 11- bis 14-Jährigen. Zu Recht? Immerhin setzte sich die deutsche Wochenzeitung Die Zeit in ihrer Ausgabe 30, Mitte Juli, mit dieser Generation der Frisch- oder der Gerade-noch-nicht-Pubertierenden auseinander und entwarf – wie könnte es in dieser Zeit der Labels anders sein – auch gleich einen griffigen Namen für diese Altersspanne: „Keenies“: noch halb Kind und schon halb Teenager.

Nur wenig später nach dieser Definition sorgt ein Vertreter dieser neu benannten Generation hierzulande für Aufregung: Florian P., jener 14-jährige mutmaßliche Einbrecher, der von der Polizei erschossen wurde. Auch wenn die genauen Umstände noch unklar sind, so klar ist die Bestürzung über den Tod eines Burschen in einem Alter, in dem manche von uns noch mehr Kind als Jugendliche waren.

War es ein tragischer Ausnahmefall oder ein Beispiel, wenn auch ein sehr extremes, das auch Typisches für diese Jugend und Gesellschaft beinhaltet? Der deutsche Familientherapeut Wolfgang Bergmann (siehe Interview, re.) ortet bei aller Unklarheit des Falles auch etwas Typisches: Wir würden Kindheit und Jugend zunehmend unter dem Aspekt von Abweichung sehen, ja zunehmend als Gefahr, sagt Bergmann der FURCHE und verweist auf Diskussionen über Komasaufen und Jugendkriminalität (siehe Kasten). Manche Sozialarbeiter in der Jugendarbeit stimmen ihm zu.

Doch abseits vom Thema Jugendkriminalität, deren Quantität und Qualität kontrovers diskutiert wird, stellen sich die Fragen: Wie ticken eigentlich diese „Keenies“, und ist es nicht ein künstlich entworfener Begriff für eine kaum klar abgrenzbare Lebensphase?

Zitiert die Zeit den deutschen Jugendforscher Klaus Hurrelmann, der die Kreation „Keenies“ als treffend bezeichnet, so können manche Vertreter aus der Praxis eher wenig damit anfangen: Manuela Synek, Sozialarbeiterin in der Jugendarbeit, kann sich mit dieser Einteilung nicht anfreunden. In ihrer Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen im 20. Bezirk hat sie es meist mit 14- bis 16-Jährigen zu tun, 10- bis 12-Jährige seien wieder eine „eigene Geschichte“. Sehr Frühreife habe es immer gegeben. Entscheidend sei die Altersgrenze 14, wenn die Strafmündigkeit beginnt.

Autoritäten zählen weniger

Dass sich heute 11- bis 14-Jährige von denen, die vor zehn Jahren in diesem Alter waren, unterscheiden, glaubt die Sozialarbeiterin nicht. Sie ist seit 16 Jahren im Einsatz, zurzeit beim Verein „Back Bone, Mobile Jugendarbeit“ im 20. Bezirk in Wien. Was ihr bei allen Teenagern auffällt: „Die Jugendlichen von heute haben mehr Wissen, mehr Information, sie anerkennen Autoritäten nicht mehr so leicht. Sie sind selbstbewusster; aber wenn man dahinter schaut, sind sie genauso unsicher wie frühere Jugendliche. Sie versuchen nur in einer Gesellschaft, die ihnen wahnsinnig viel abverlangt, zu existieren und zu bestehen.“

Eine Zuschreibung, die „Keenies“ anhaftet, ist mitunter jene der früheren Reife. Die Entwicklungspsychologin Karina Weichold von der Universität Jena weist aber darauf hin, dass der Start der Pubertät in den letzten Dekaden „nicht gravierend nach vorne gerückt sei“ – entgegen der Volksmeinung; es gebe höchstens eine leichte Vorverlagerung in bestimmten Gruppen.

Eine Erklärung für diese Meinung: „Frühreife“ würde sich nicht nur auf die körperliche Reife beziehen, sondern auch auf das Verhalten der Kinder und Jugendlichen, auf deren Kleidung, auf ihre Sprache, etwa in Bezug auf Sexualität. Doch auch hier zeigt sich laut Weichold: Es wird zwar mehr darüber geredet, in der Praxis zeigt sich aber seit Jahren keine „gravierende Vorverlagerung“ (s. Kasten).

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