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Lobbyismus-Kritiker Ulrich Müller über Grenzen und Regeln in der Beeinflussung von Politikern.

Die Furche: Herr Müller, wozu braucht man einen Verein wie LobbyControl?

Ulrich Müller: Wir sind eine lobbying-kritische Organisation und versuchen aufzudecken, wie Politik und Medien durch Lobbying beeinflusst werden. Wir machen aber auch Kampagnen gegen konkrete Missstände, wie zum Beispiel letztes Jahr in Deutschland, wo Lobbyisten, die von großen Unternehmen bezahlt wurden, direkt in Ministerien mitgearbeitet haben und dort sogar eigene Schreibtische hatten. Wir setzen uns für strikte Regeln ein, die für mehr Transparenz sorgen, und demokratische Prinzipien sichern sollen.

Die Furche: Seit wann ist LobbyControl aktiv und woher bezieht der Verein seine finanziellen Mittel?

Müller: LobbyControl gibt es offiziell seit 2005, mit einem Vorlauf der bis 2004 zurückreicht. Anlass zur Gründung war schlicht und einfach, dass es bis dahin keine Organisation gab, die quasi als "Watchdog" Lobbying unter die Lupe genommen hat. Der Einfluss von Lobbying und PR auf die Medien und die Politik nimmt immer mehr zu. Die Methoden werden dabei professioneller, aber auch problematischer. Die Finanzierung läuft über ein Drei-Säulen-Modell: Spenden, Mitgliedsbeiträge und die Unterstützung durch die Bewegungsstiftung. Das ist eine Stiftung von etwa 80 Personen, die verschiedene Organisationen mit sozialen Anliegen unterstützt.

Die Furche: Nach welchen Kriterien beurteilen Sie Lobbyisten und Lobbying-Unternehmen?

Müller: Nach der Transparenz und nach ihren Methoden, da darf keine Irreführung passieren. Lobbyisten sollten verpflichtet sein, offenzulegen, für wen sie arbeiten und von wem sie bezahlt werden. Ich bin aber skeptisch, ob das auf freiwilliger Basis funktionieren würde. Bei Einzelnen vielleicht, aber generell sind fixe Regeln notwendig. Zugleich muss man weitergehen. Es geht nicht nur darum, ob sich ein einzelner Lobbyist richtig oder falsch verhält. Es geht um strukturelle Aspekte, um die Frage, wie demokratisch der Lobbying-Prozess an sich ist, und auch um personelle Verflechtungen. Also Lobbyisten in Ministerien, Politiker mit Nebentätigkeiten, Ex-Politiker in neuen Jobs etc. Letztendlich liegt es derzeit an den Medien und an Organisationen wie LobbyControl, hier eine kritische Debatte zu führen. Lobbyisten müssen auch darauf reagieren, was eine Gesellschaft für vertretbar hält. Wenn sich die Gesellschaft aber nicht darum kümmert, machen sie einfach weiter wie bisher. Die Politik muss auf Distanz achten und dem Lobbyismus Grenzen setzen. Sie muss aufpassen, dass auch die Schwachen gehört werden.

Die Furche: Heiligt der Zweck die Mittel? Zum Beispiel, wenn es um den Umweltschutz geht?

Müller: Nein. Natürlich müssen sich auch jene, die sich für den Umweltschutz oder soziale Standards einsetzen, an Regeln halten und dürfen nicht mit fiesen Tricks arbeiten. In der Regel findet man diese unlauteren Methoden aber eher bei der Wirtschaft, wo versucht wird, die eigentlichen, kommerziellen Interessen hinter schönen Fassaden zu verstecken.

Die Furche: Wie kann sich Lobbying von der sprichwörtlichen "Freunderlwirtschaft abgrenzen?

Müller: Zunächst einmal ist Lobbying Auftragsarbeit, also generell nicht etwas, das man für seine Freunde macht. Natürlich sind soziale Netzwerke ein sehr wichtiges Instrument im Lobbying, das gehört praktisch zum Pflichtprogramm. Bei "Freunderlwirtschaft" schwingt irgendwie auch Korruption mit, man kann aber Lobbying ohne jegliche Bereicherungskomponenten betreiben. Da gibt es sicherlich Grauzonen, also Lobbyisten, die bereit sind, in dieser Hinsicht sehr weit zu gehen.

Die Furche: Wie sieht Lobbying in Deutschland im Vergleich zu Lobbying in Brüssel aus?

Müller: Vom Ausmaß her gibt es da natürlich gewaltige Unterschiede. Generell entwickelt es sich aber in die gleiche Richtung. Es gibt in Deutschland eine recht weit entwickelte Lobbying-Szene. Da sind nicht nur die Verbände tätig, sondern auch zahlreiche Agenturen, Denkfabriken und große Rechtsanwaltskanzleien. Brüssel spielt international eine größere Rolle, weil es zentral ist für den europäischen Binnenmarkt. Da müssen auch die USA und andere wichtige Wirtschaftsregionen vertreten sein. Das geht von der American Chamber of Commerce bis hin zu Ablegern der US-Wirtschaftsverbände und bisweilen mischen sich sogar diverse Botschaften ein, um sich für Unternehmen aus ihrem Land einzusetzen.

Die Furche: Wie viel Lobbying verträgt eine Demokratie?

Müller: So ganz abstrakt lässt sich das nicht beantworten, man muss sich schon mit den heutigen politischen Gegebenheiten befassen. Da würde ich schon sagen, dass das Ausmaß des Lobbyismus, die Verflechtungen und die fehlenden Regeln die Demokratie beschädigen, weil dadurch letztendlich gewisse, vor allem finanzstarke Interessen stark bevorteilt werden. Interessensvertretungen gehören zwar zur Demokratie, aber in einem erhöhten Ausmaß stellen sie eine Gefahr dar.

Das Gespräch führte Thomas Meickl, Mitarbeit Michael Weiß.

Buchtipp:

BRÜSSEL DAS EU-VIERTEL

Der "Reiseführer" gibt Einblicke wer Lobbying in Brüssel betreibt, und wo die "Einflussnehmer" zu finden sind. Zweite Auflage von LobbyControl und Corporate Europe Observatory, Köln 2007, 36 Seiten, broschiert, € 2,50

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