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Feri Thierry ist davon überzeugt, dass Lobbying nicht nur etwas für vermögende Konzerne ist, denn auch eine Petition mit 150.000 Unterschriften macht die Politik nervös.

Die Furche: Der Begriff Lobbying hat für viele Menschen einen schalen Beigeschmack, wie sieht die Wirklichkeit aus?

Feri Thierry: Lobbying ist gelebte Demokratie. Konkret gesagt ist es knochenharte Überzeugungsarbeit. Es gilt Menschen, die politische Entscheidungen treffen, mit Argumenten zu überzeugen. Interessant ist, dass viele Menschen und Organisationen Lobbying betreiben, es aber nur bei manchen als solches wahrgenommen wird. Wenn Greenpeace, Amnesty International oder eine Frauenorganisation dafür eintreten, dass Gesetze ökologischer oder gerechter werden, ist das nichts anderes als Lobbying. Das wird aber fast nie als Lobbying bezeichnet, sondern nur das, was die Industrie tut.

Die Furche: Für welche Klientel arbeiten Sie?

Thierry: Ich berate große Unternehmen verschiedenster Branchen in Sachen Politik. Zum Beispiel unterstütze ich ein Unternehmen im Gesundheitsbereich bei einer Infokampagne bzgl. einer Krankheit, die in Österreich noch nicht so bekannt ist. Die Firma hat hier ein wirtschaftliches Interesse, weil sie ihre Produkte absetzen will. Es gibt aber auch ein grundsätzliches gesellschaftliches Interesse, dieser Krankheit Herr zu werden. Da bin ich unterwegs, um die politischen Entscheidungsträger darüber zu informieren, dass in diesem Bereich viel zu tun ist. Es kann bei Lobbying aber auch darum gehen, größere Menschengruppen zu mobilisieren, denken Sie an die Wiener Hundekot-Kampagne vor zwei Jahren. Die ging von Einzelpersonen aus. Sie hatten zwei konkrete Anliegen: Eine Gesetzesänderung und eine Informationskampagne. Dafür haben sie Unterstützungserklärungen gesammelt und sich in beiden Fällen durchgesetzt. Der Slogan "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl" war in aller Munde.

Die Furche: Sozusagen Grassroot-Lobbying von der Basis einer Demokratie ausgehend, vom Volk selbst …

Thierry: Genau, wenn man als Einzelperson schwer einen Termin bei der Stadträtin bekommt, dann muss man eben die Massen mobilisieren. Beim Thema Hundekot waren es rund 150.000 Unterstützungsunterschriften.

Die Furche: Das ist aber eher neu für Österreich …

Thierry: Das Wort Lobbying ist neu, Interessensvertretungen gibt es ja schon lange. Um beim vorigen Beispiel zu bleiben: So kann Lobbying dazu beitragen Demokratie bewusst zu leben.

Die Furche: Untergräbt Lobbying nicht auch die Demokratie, wenn sich eine Atomkraftlobby als Umweltschützer präsentiert, wie dies vergangenes Jahr in Deutschland passiert ist (siehe Seite 24 unten; Anm.)?

Thierry: Ich halte es für legitim, den Klimawandel als Argument für die Atomkraft einzusetzen. Problematisch wird es dann, wenn jemand behauptet, ökologisch zu sein, durch sein tägliches Handeln aber beweist, dass er es nicht ist. Es ist auch grenzwertig, wenn jemand in einem Ministerium arbeitet und dort Lobbying betreibt.

Die Furche: Ein von einem Unternehmen bezahlter Mitarbeiter in einem Ministerium, wie es das in Deutschland gibt, geht also zu weit?

Thierry: Tendenziell ja. So lange das offen geschieht und jeder weiß, dass der von dem Unternehmen kommt, dann kann ich die Haltung dieser Person wenigsten einschätzen. Hundertprozentige Objektivität gibt es ohnehin nicht, jeder Abgeordnete trifft durch sein soziales Umfeld beeinflusst Entscheidungen.

Die Furche: Haben wir da nicht ein demokratiepolitisches Problem, da sich nur Firmen mit viel Geld einen eigenen Mitarbeiter in einem Ministerium leisten können?

Thierry: Sie müssen bedenken, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Sicher hat ein großes Unternehmen andere Möglichkeiten als ein einzelner Bürger, aber die Bevölkerung hat die Macht ihrer Wählerstimme. Die Hundekot-Initiative hatte kein Budget, aber sie mobilisierte Hunderttausende Wähler. Die Frage ist, was interessiert einen Politiker mehr, ein Unternehmen, das sich einen Lobbyisten wie mich leisten kann, oder die Wähler, die eine Petition unterschreiben? Wer wählt denn bei der nächsten Wahl? Natürlich ist es gut, ein großes Budget zu haben, das erleichtert Lobbying, aber Menschen zu mobilisieren, kann genauso effektiv sein.

Die Furche: Stoßen Sie oft an moralische Grenzen, wenn Unternehmen Sie um Ihre Unterstützung bitten?

Thierry: Ich bin ein liberaler Mensch, für mich muss der Staat erklären, warum er in das Leben der Menschen eingreift, und nicht umgekehrt der Mensch dem Staat erklären, warum er hier nicht eingreifen soll. Der Staat hat wichtige Aufgaben, aber er muss auf das Nötigste reduziert sein. Aus dieser Grundhaltung heraus, bin ich mit Unternehmen oft einer Meinung, die sich für weniger Regulierung einsetzen.

Die Furche: Und wie messen Sie die Qualität von Lobbying?

Thierry: Es ist die Seriosität, mit der man Informationen weitergibt. Es ist wichtig, dass sich die politischen Gesprächspartner darauf verlassen können, dass meine Informationen ausgewogen und sachlich sind. Ich weise auch auf Gegenargumente hin, um meinen Standpunkt möglichst breit und objektiv darzustellen. Auch offenzulegen, für wen ich arbeite, ist für mich selbstverständlich.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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