Schwarz-blau schafft die falschen Anreize

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Grüne Position ist nicht nur ein stufenloses Anwachsen der Abfertigungsansprüche ab dem ersten Tag, sondern mehr Wahlfreiheit.

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Grüne Position ist nicht nur ein stufenloses Anwachsen der Abfertigungsansprüche ab dem ersten Tag, sondern mehr Wahlfreiheit.

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Erste - persönliche - Annäherung: Vor zehn Jahren vertrat ich als frischgebackener Arbeiterkammerrat im sozialpolitischen Ausschuss der Arbeiterkammer einen Antrag der Alternativen GewerkschafterInnen, in dem wir forderten, dass die Abfertigung bei jeder Form der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ausbezahlt würde, weil sie (vorenthaltener) Lohnbestandteil sei. Ausnahmslos alle Fraktionen waren dagegen. Weil die Abfertigung eine Treueprämie sei.

Das verblüffte mich. Schließlich kannten die meisten Dutzende Fälle, bei denen ArbeitnehmerInnen vor Erreichen der nächsten Abfertigungsstufe gekündigt wurden oder - noch schlimmer - irgendein Entlassungsgrund konstruiert wurde, um die Abfertigung einzusparen. Das alte Abfertigungsrecht mit seinen Stufen ist eine Einladung zur Umgehung beziehungsweise wirkt einmal als Kündigungsimpuls (vor Erreichen der nächsten Stufe) oder als Kündigungsbremse.

Zweite Annäherung: das alte Politikerbezügegesetz kannte eine Abfertigung. Im Unterschied zur Arbeitnehmerabfertigung wuchs sie stufenlos, ohne Sprünge an. Keine unerwünschten Nebenwirkungen, keine Disziplinierungsfunktion! Auch Überbrückungshilfe war die Politikerabfertigung nur für die wenigsten. In Wirklichkeit war sie nicht vorenthaltener, sondern eher versteckter Lohnbestandteil. Die Politikerabfertigung wurde zu Recht abgeschafft und durch eine Überbrückungshilfe ersetzt.

Die Reform der alten Arbeitnehmerabfertigung ist notwendig und weitgehend unbestritten. Überbrückungshilfe, Disziplinierungsinstrument, Treueprämie, Kündigungsimpuls und -bremse, zu vielfältig und widersprüchlich waren ihre Zielsetzungen und Wirkungen, zu wenige haben tatsächlich Abfertigung erhalten. Vor allem aber: die Arbeitsrealitäten haben sich drastisch geändert. Nicht nur das Mobilitätsbedürfnis der ArbeitnehmerInnen, sondern das der Wirtschaft ist enorm gestiegen. Das klassische Arbeitsverhältnis der industriellen Periode, von der Schule (Lehre) bis zur Pension in einem Betrieb, ist drastisch im Rückgang. Nur mehr eine verschwindende Minderheit hat noch den Anspruch auf die derzeit maximale Abfertigung von 12 Monatsgehältern, fast eine Million Menschen hätte 1997 auch im Abfertigungsmodell der Regierungskoalition keine Ansprüche erworben.

Alle Analysen der Arbeitsmärkte weisen darauf hin, dass nicht nur die Mobilität anhalten wird, sondern auch die diskontinuierlichen Arbeitsverläufe zunehmen. Das Abfertigungskonzept der Regierungskoalition ist da keine Verbesserung. Durch die Beschränkung der Ansprüche, die nicht ab dem ersten Tag, sondern erst nach dem ersten Jahr entstehen sollen, wird ein deutlicher Anreiz für kurzfristige Arbeitsverhältnisse geschaffen. Die Attraktivität von Saisonjobs für die Beschäftigten wird damit allerdings nicht erhöht. Die Benachteiligung bei Selbstkündigung ist anachronistisch und wird im Fall von Arbeitslosigkeit noch dazu durch den "Stehmonat" beim Arbeitslosengeld verstärkt.

Die erkennbare Tendenz, die Abfertigung Neu in eine Pension Neu umzuwandeln, ist deshalb problematisch, weil sie von der Absicht getragen ist, dadurch die Beiträge für das allgemeine soziale Pensionssystem zu senken. Grüne Position ist aber nicht nur ein stufenloses Anwachsen der Abfertigungsansprüche ab dem ersten Tag (ohne Alters- oder Beitragsmonatebeschränkung), sondern mehr Wahlfreiheit.

Natürlich soll für eine Zusatzpension vorgesorgt werden können. Natürlich muss Abfertigung bei jeder Form der Auflösung von Arbeitsverhältnissen zustehen - schließlich kann und soll die Abfertigungskasse nicht der Richter über Arbeitsverhältnisse sein. Abfertigung soll aber auch bei vorübergehender Beendigung von Arbeitsverhältnissen (Bildungs-, Erziehungskarenz, Sabbatjahr) beansprucht werden können. Das würde nicht nur den ArbeitnehmerInnen helfen, sondern auch der Wirtschaft.

Der Autor ist Sozialsprecher der Grünen.

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