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Sozial Schwache fallen durch!'

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Nach Sozialpartnergesprächen in letzter Minute wird sich am Freitag dieser Woche das Nationalratsplenum mit den Vorschlägen der SPÖ und ÖVP zur Arbeiterabfertigung befassen. Zum Abschluß unserer Diskussion bringen wir einen Beitrag des christlichen Gewerkschafters Josef Müller. Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.

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Nach Sozialpartnergesprächen in letzter Minute wird sich am Freitag dieser Woche das Nationalratsplenum mit den Vorschlägen der SPÖ und ÖVP zur Arbeiterabfertigung befassen. Zum Abschluß unserer Diskussion bringen wir einen Beitrag des christlichen Gewerkschafters Josef Müller. Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.

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Die allen Angestellten nach dem Angestelltengesetz zustehende Abfertigung bei Kündigung durch den Dienstgeber war im Ursprung als Teil des Kündigungsschutzes länger andauernder Dienstverhältnisse gedacht. Die Tatsache, daß der Dienstgeber bei Lösung eines Arbeitsverhältnisses mehrere Monatsgehälter hinblättern müßte, war Anlaß genug, eine Kündigung eines Angestellten zu überlegen.

Aus dieser Entwicklung wurde die Abfertigung der Angestellten in die Lohnkostenrechnung der Betriebe übernommen und den Konsumenten als Betriebskosten (Lohnkosten) angerechnet. Die Verpflichtung der Unternehmungen zur Abfertigungs-Rücklagenbildung bekräftigte die in den letzten Jahren eingetretene Argumentation der Arbeitervertreter, daß die Abfertigung ein erarbeiteter Lohn^sei und in jedem Fall einer Auflösung des Dienstverhältnisses gebühren müßte.

So weit sind die Arbeiter aber noch lange nicht.

Die Forderung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung auf Gewährung der Abfertigung bei Selbstkündigung (auf lange Sicht gesehen) ist sicher für die derzeitige wirtschaftliche Lage nicht angenehm, jedoch als realistische Forderung für alle Arbeitnehmer zu sehen.

An der von der Regierungspartei vorgeschlagenen Regelung der Abfertigungsfrage, die sicher für viele Arbeiter eine Besserstellung bringt, ist vor allem zu bemängeln, daß der eingeschlagene Weg nicht optimal ist und einige Arbeitergruppen durch den Gesetzesrost fallen.

Die spezifische Situation der Arbeiter stellt den Anspruch auf genauere Analyse, wenn eine Lösung für den betroffenen Menschen gefunden werden soll.

Wahlstrategische Überlegungen sind zu wenig, um langfristig einen sozialpolitischen Fortschritt zu erreichen.

Für alle Baubranchen, die unter das Bauarbeiter-Urlaubsgesetz fallen (Baugewerbe, Bauindustrie, Baunebengewerbe, Bautischler, Zimmerer usw.), ist seit der Zweiten Republik ein Urlaubsgesetz geschaffen, das diesen Arbeitern jährlich einen Urlaub sichert, auch wenn das Dienstverhältnis mehrmals im Jahr gewechselt wird. Unabhängig davon, wie lange das Dienstverhältnis bei einem Dienstgeber andauert, ist dem Bauarbeiter der Urlaub alle 46 Wochen gesichert. Eine weise gesetzliche Regelung, die der Fluktuation und der Winterarbeitslosigkeit in diesen Berufsgruppen Rechnung trägt.

Wenn also 1947 der Gesetzgeber den kurzfristigen Dienstverhältnissen durch die Schaffung eines Spezialgesetzes entgegengetreten ist,

zum Schutz der Arbeiter, so wäre dies Anlaß genug für verantwortungsvolle Politiker, diesen Umstand auch in der Abfertigungsfrage zu berücksichtigen. Eine Verankerung in der Bauarbeiter-Urlaubskasse durch einen Arbeitgeberbeitrag als Reihenausgleich würde sinnvoller erscheinen als die vorgeschlagene Regelung.

Die Regierungspartei mutet jedoch den Bauarbeitern zu, ein Gesetz zu akzeptieren, welches einen Anspruch auf Abfertigung bei einer Dienstzeit bis 25 Jahre verspricht.

Zu bemerken ist auch noch, daß gerade der genannte Kündigungsschutz beim Bauarbeiter in der Regel nicht zutrifft und mit dem Zunehmen von Großbaustellen und der Gründung von Arbeitsgemeinschaften vielfach bei Uberwechseln von einer zur nächsten Baustelle ein neues Dienstverhältnis gegründet wird.

So sieht der Entwurf zur Arbeiterabfertigung nur einen Anspruch bei Vollbeschäftigung vor.

Sollte aber die Bundesregierung die Abfertigung als Kündigungsschutz ansehen, so wage ich zu behaupten, daß vor allem Teilzeitbeschäftigte (für die die letzten Sozialminister alle eingetreten sind) genauso schutzbedürftig sind. Genauso geschützt müßte aber auch die Beendigung des Dienstverhältnisses eines Hausbesorgers sein, der bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch seine Wohnung verliert. Gerade aber durch das Hausbesorgergesetz ist dem Hausbesorger keine Arbeitszeit festgesetzt und somit auch keine ganztägige Arbeitszeit gegeben.

Sozial Schwache fallen durch!

Gerade für diese sozial schwache Arbeitergruppen ist im Gesetzesentwurf, der von den sozialistischen Gewerkschaftern zur Gänze unterstützt wird, nichts vorgesehen.

Unter den Gesetzesrost fallen aber auch viele Saisonbeschäftigte, die im Jahr nur mehrere Monate arbeiten und nie in den Genuß der Abfertigung kommen können.

Lassen wir aber neben dem Kündigungsschutzgedanken auch das Argument des Lohnbestandteiles gelten, so ist nicht einzusehen, daß Halbtagsbeschäftigte, deren Abfertigung genauso in die Kostenrechnung mit einbezogen wird, keinen Anspruch haben sollen.

Die seit Jahren überlegten Wege in der Abfertigungsfrage scheinen durch Wahlhysterie und Imageha-scherei über Bord geworfen zu sein.

Für mich bedeutet eine gesetzliche Regelung der Abfertigung nicht nur eine optische Gesichtsmassage für das Eintreten für die Arbeiter, sondern die Verpflichtung, alle notwendigen Regelungen zu treffen, damit ein Gesetz entsteht, das den Arbeitern hilft, die Unsicherheit der Zukunft besser bestehen zu können.

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