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Digital In Arbeit

Danaergeschenk für Arbeiter?

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Die Opposition sei unglaubwürdig, polemisieren Repräsentanten der Regierungspartei bei jeder Gelegenheit: Auf der einen Seite plädiere sie für die Einschränkung der Staatsausgaben, auf der anderen Seite stelle sie immer neue soziale Forderungen.

. Isoliert betrachtet ein nicht unberechtigter Vorwurf. Aber - kann es sich die Opposition leisten, auf eine derartige „Doppelstrategie“ zu verzichten, wenn sie ihr von der Regierung in der Praxis permanent vorexerziert wird?-

Da redet auf der einen Seite der Finanzminister die ganze Zeit von Sparen und Defizitabbau, reduziert die Sparförderung, schafft Subventionen ab und erfindet neue Steuern, während sich auf der anderen Seite der Sozialministerauf dem laufenden Band neue Gesetze einfallen läßt, welche den Staat und die Wirtschaft immer stärker belasten.

So sind gegenwärtig gleich drei neue Ideen Weissenbergs auf dem Tapet: .

• Die Novelle zum Entgeltfortzahlungsgesetz, welche demnächst ins Parlament kommen soll. Ihrzufolge sollen dem Arbeitgeber die Lohnkosten im Krankheitsfalle in spürbar geringerem Maß als bisher refundiert werden.

• Das Entgeltsicherunsgesetz, welches normieren soll, daß freiwillige Leistungen der Unternehmen nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen (alsp beispielsweise eine Erfolgsprämie).

• Die brisanteste Forderung stellt aber zweifellos die Einführung der Abfertigung auch für Arbeiter dar.

Allen diesen Projekten ist gemeinsam, daß sie neuerliche zusätzliche Lasten für die Wirtschaft bringen werden. Wohl mag zu ihren Gunsten vorgebracht werden, daß sie den Staat direkt relativ wenig belasten. Aber Bekanntlich haben wir neben dem Budgetdefizit ein nicht weniger spektakuläres Außenhandelsdefizit. Und diese Entwicklung ist in erster Linie die Auswirkung der in Österreich überproportional steigenden Arbeitskosten. Neue Belastungen der Wirtschaft bedeuten daher verschlechterte Konkurrenzfähigkeit, damit Verlust von Arbeitsplätzen, geringere Steuereinnahmen und gleichzeitig die Aufgabe für den Staat, forciert neue Arbeitsplätze mit neuem Kostenaufwand zu schaffen.

Sicherlich läßt sich aus der Perspektive der sozialen Symmetrie

manches Argument zugunsten einer arbeitsrechtlichen Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten auch auf dem Gebiet der Abfertigung vorbringen. Aber auch Sozialpolitik muß eben eine Kunst des Möglichen sein. Man müßte der Wirtschaft zunächst einmal Zeit geben, die unzähligen sozialpolitischen Novitäten der letzten Jahre zu verkraften. Man müßte ferner dafür sorgen, daß endlich unsere Kostenstruktur gegenüber dem Ausland wieder in Ordnung kommt.

Fehlt dieser unvermeidliche Realitätssinn, dann besteht die Gefahr, daß sich so manche sozialpolitische Innovation als Schuß nach hinten erweist, daß die sozialen Vorteile für eine in der Praxis relativ kleine Gruppe mit dem Verlust des Arbeitsplatzes für viele erkauft werden muß. Speziell für arbeitssuchende, ältere Arbeitskräfte kann dies zum Danaergeschenk werden, da jeder Betrieb mit ihrer Einstellung - im Hinblick auf die Abfertigungsansprüche anläßlich der nicht allzufernen Pensionierung - zögern wird.

Aber auch für Jüngere können negative Effekte auftreten - beispielsweise in Form einer rascheren Bereitschaft der Firmen zur Kündigung von Arbeitern, die noch keine oder nur geringe Abfertigungsansprüche haben.

Wenn hinsichtlich der Abfertigung bisher zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert wurde, so hat dies nicht zu unterschätzende sachliche Gründe: Der „typische“ Angestellte hat eine längere Ausbildung, er ist in der Verwaltung eines Unternehmens tätig, deren Personalbedarf von Konjunkturschwankungen im allgemeinen weniger tangiert wird als derjenige in den Produktionsstätten. Er ist nicht so leicht austauschbar, aber auch nicht so leicht in einem anderen Betrieb zu integrieren.

Dagegen ist für den „typischen“ Arbeiter eine hohe Mobilität charakteristisch. Er kann seinen „Job“ relativ leicht verlieren, aber auch einen gleichwertigen relativ leicht wieder finden.

Die verringerte Mobilität, wie sie der generelle Abfertigungsanspruch mit sich bringen würde, ist aber gerade in einer Epoche, in welcher das wirtschaftliche Überleben unseres Landes von einer forcierten Strukturveränderung abhängig ist, genau dasjenige, was dem Gemeinwohl am wenigsten zuträglich wäre.

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